Donnerstag, 29. September 2005
China
Was bleibt von Mao´s Erbe ?

Zur Gründung der Volksrepublik China 1949 auf dem Tiananmen-Platz (Platz des Himmlischen Friedens) sagte Mao "China ist wieder auferstanden". Zu diesem Zeitpunkt war weniger die wirtschaftliche Stärke gemeint. China erlangt nach fast einem Jahrhundert ausländischer Verstrickungen und Einflussnahme wieder seinen Nationalstolz. Was vererbte Mao an seine Nachkommen, oder anders gefragt „ist das heutige China noch maoistisch geprägt?“. Im ersten Moment und unter Betrachtung der wirtschaftlichen Stärke muss man diese Frage verneinen. Andererseits ist der Machtapparat der heutigen Kommunistischen Partei Chinas noch in den von Mao gegründeten Strukturen die eine Industrialisierung eine Kulturrevolution (ab 1966), die Idee einer absoluten Nivellierung der Gesellschaft, erhalten. Was einst zur Auflösung der Klassen im Sinne von Marx und Engels dienen sollte, nahm rasch Leninistisch - Stalinistische und damit autoritäre ( Maoismus: ) Züge an. Wie in allen kommunistisch diktierten Ländern gab es zwar offiziell keine „unterschiedlichen Klassen“ mehr. Das „Gleichere“ verlagerte sich auf Privilegien. Jeder einzelne wurde somit zum Zuträger der Partei um in den Genuss ersehnter Privilegien zu kommen. Maos Bestreben nach wirtschaftlicher Stärke unter der Leitung des Staates und damit der Kommunistischen Partei kannte keine Rücksicht auf sonstige infrastrukturelle Ungleichheiten. Ein Großteil der Bevölkerung wurde für den industriellen Fortschritt rekrutiert und damit blieb die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln vernachlässigt. Dieses Unterordnen unter den Fortschritt führte zum Hungertod von tausenden Chinesen.



Maos Machtstütze und Nachfolger Deng Xiaoping schlägt dem Volk 1978 vor, das Land zu reformieren. Vier Jahre später sind 80% der Kommunen dekollektiviert. Deng führte diese Veränderung, von der staatlichen Kontrolle hin zur „Selbstbestimmung“ sehr sanft durch um nicht den Apparat der KP gegen sich aufzubringen. Ihm war wichtig das die Funktionäre diese „Privatisierung“ durchführen - ohne den Druck von Oben. Die Rechnung Dengs ging auf und er versuchte einige Methoden der Marktwirtschaft einzuführen ohne die „Heiligen“ der maoistischen Geschichte vom Sockel zu stoßen. Drei Jahre nach Maos Tod investieren die chinesische Diaspora und ausländische Firmen im Land.

Vorerst sind es nur Enklaven die für dieses Experiment ausgesucht werden und langsam verliert der Marxismus als Ideologie. Die Partei muss nun neue Erfolge vorzeigen um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Der leise Hauch von Kapitalismus und die Hoffnung der Bevölkerung davon zu profitieren lassen die KP in einem humaneren Kurs sehen. Die Partei zeigt sich nicht mehr vordergründig der Ideologie und der reinen Verstaatlichung verpflichtet und lässt damit für chinesische Verhältnisse einen großen Spielraum der Meinungsäußerung zu. Diese Politik der Öffnung führt seit Maos Tod zum Aufblühen der „Wandzeitungen“. Chinesen sehen eine Möglichkeit der freien Meinung und sogar Tabuthemen wie die Kritik oder Auseinandersetzung mit der Kulturrevolution werden zur Sprache gebracht. Erst nach dem der Arbeiter Wei Jing Cheng die Demokratie fordert werden die Wandzeitungen verboten und die Autoren eingesperrt. Der rote Drache zeigt nach einer kurzen Zeit der Liberalisierung wieder die Zähne bis hin zur absoluten Durchsetzung der Parteiideologie 1989 am Tiananmen-Platz. Dengs Linie der marktwirtschaftlichen Orientierung wird weiterverfolgt, hin zum staatlich verordneten Kapitalismus.

Anders als zu Maos Zeiten wird dem Parteikader nicht mehr die reine „heilbringende“ kommunistische Ideologie verabreicht. Heute ist das Motto der KP „Maximierung des Gewinns“ das Gegenteil einstiger Ideologie. Auf dem Lehrplan der Funktionäre steht Marketing und ein Loblied auf die Ungleichheit. Was ist von dem Kommunismus oder Maoismus übrig geblieben? Die Chinesen besitzen die Gabe auch dem kapitalistischen System noch eine marxistische Moral abzugewinnen. Sozialistisch - marxistischer Sozialismus wird nun von der Führung verordnet. Dengs Argument für die freie Marktwirtschaft war sehr simpel „Gewinnstreben und Börsenmarkt sind Ideologieneutral - wenn diese Faktoren im Sozialismus eingesetzt werden, sind sie Sozialistisch und in Kapitalismus kapitalistisch. Mao wird als Wegbereiter der neuen Dogmatik geehrt, allerdings nicht ohne Einschränkungen. Deng Xiaoping stellet fest dass 30% der maoistischen Regel falsch waren und 70% Richtig. Waren noch vor 10 Jahren ein Großteil der Parteimitglieder Arbeiter und Werktätige, so sind heute über 30% Bauunternehmer, Fabriksbesitzer und Wirtschaftsbosse. Es ist jedem Studenten der seine Zukunft in der „freien“ Wirtschaft sieht, zu empfehlen Mitglied in der Partei zu werden. Am 13. Parteitag 1987 wird beschlossen auf den Klassenkampf zu verzichten und vom Marxismus wird behalten was gelegen kommt, die Allmacht der Partei und wenn nötig die Durchsetzung mit Gewalt. Deng erklärt seine Haltung, dass vor dem Sozialismus nach Engels und Marx der Kapitalismus als Basis aufgebaut werden muss.

Nun ist die Grundidee aus dem Kapitalismus eine sozialistische Basis zu schaffen gleichzustellen mit dem Versuch einer kommunistisch vermeintlich klassenlosen Gesellschaft. Hat in einer Demokratie der Bürger die Möglichkeit politische Führung mit einem unterschiedlichen Programm zu wählen so ist in China dies natürlich nicht der Fall und der Staat setzt hier auch nur wenige Rahmenbedingungen. 1995 wurde die Einführung einer verbindlichen Krankenversicherung beschlossen und seit ca. 15 Jahren helfen deutsche Spezialisten ein Rentensystem einzuführen. Fazit ist dass der größte Teil der Arbeiter und Angestellten nicht versichert werden und im Krankheitsfall entweder selbst den Arzt bezahlen oder wie in einigen publik gewordenen Fällen sterben weil keine finanzielle Sicherstellung gewährleistet wird. Verklagt nun ein Arbeiter das Unternehmen bei dem er beschäftigt ist auf Ersatz der Kosten wird ihm -trotz Gesetzeslage - vom Gericht kein Anspruch zugesprochen. Allein beim Aufbau von Pekings Prestigeobjekt der Olympiastadt sterben jährlich um die 2000! (laut Angaben der Staatlichen Gewerkschaft) Wanderarbeiter. Bau- und Schutzvorschriften sind ebenso gesetzlich geregelt wie die Arbeitszeiten. Nur solange das Unternehmen eine Mitgliedschaft der KP vorweisen kann werden keine Konsequenzen verlangt. Trotz der Vervielfachung des BSP wird eine sozialmarktwirtschaftliche Umverteilung wie z.B. für die Altersversorgung nicht betrieben. In agrarabhängigen Gebieten Chinas leben heute bereits um die 40% der über 65jährigen. Mühsam fließen in manchen Gebieten Rentengelder in der Höhe von umgerechnet € 10,- pro Monat und Kopf. Dieser Betrag würde unter dem ehemaligen kommunistischen Kollektiv ein Überleben ermöglichen, jedoch nicht wenn die Gesellschaft unter dem Druck des neoliberalen Kapitalismus zerfällt.

Das Problem der chinesischen Führung ist einerseits zu versuchen die Löhne und Gehälter so niedrig wie möglich zu halten um das Kapital nicht zu vertreiben, andererseits muss in die Zukunft des Landes investiert werden. Eine Einführung „sozialer Bedingungen“ wie die erwähnte Krankenversicherung oder eine Altersversorgung ist auf staatlich unterstütztem Weg zu teuer bzw. würde die Arbeitskosten in die Höhe treiben. Eine private Vorsorge (die es bereits gibt) ist für die meisten wenig oder schlecht Ausgebildeten zu teuer. Der gesellschaftliche Unterschied wird hier immer deutlicher und die Führung versucht mit Investitionen in Schulen und Ausbildungsprogrammen dem entgegen zu steuern. Langsam werden auch Stimmen aus dem Parteikader laut um die sozialen Ungleichheiten in China: zart anzusprechen.

Es ist ein Phänomen, zu sehen wie sich die chinesische diktatorische Führung zum Machterhalt und für den Profit eines Bruchteils der Bevölkerung windet. Von tiefsten stalinistischen Wertevorstellungen zum staatlich geschützten neoliberalen Kapitalismus. Und staatlich geschützt heißt (auch) unter Einsatz von Gewalt und Verachtung von menschlichen Grundrechten. Seit einigen Jahren verlangt auch kein westliches Land mehr offen die Einhaltung von Menschenrechten. Es verschwinden weiterhin Kritiker und Benachteiligte spurlos in Weite des Landes.



Das Erbe Maos wurde durch die kapitalistische Ideologie ersetzt. Geblieben sind die Partei, das Spitzelwesen der Funktionäre, die Macht über und durch das Militär. Auch haben sich für einen Großteil der Bevölkerung die Lebensverhältnisse nicht geändert, im Gegenteil die Kluft wird immer größer. Letztendlich kann man im konfuzianischen Sinn auch keine Veränderung seit dem Kaiserreich erkennen.

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