Sonntag, 1. Januar 2006
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
vorerst muss ich eines gestehen, ich habe mich geirrt! Erstmal war ich überzeugt dass Sie gegen die maskuline Dominanz in Ihrer Riege nicht bestehen werden und der Kanzlerin Anspruch von den Herren aus Bayern und Hessen Ihnen streitig gemacht wird. Wie Sie allerdings geschafft haben Herrn Stoiber zurück nach Bayern zu schicken – alle Achtung – ist ein Rätsel und es gebührt Ihnen meine Hochachtung. Dass Herr Koch das Bestreben nach „Höherem“ hat, ist hinlänglich bekannt und um sein Ziel zu erreichen spannt er alle emotionalen Themen, wie Türken, Afrikaner, Ausländer und Arbeitslose ein. Seit kurzem hat er auch Studenten und Eliteuniversitäten in seinem Programm, von den Einen wird kassiert und für die Anderen soll die Bundesregierung kräftig mitzahlen.

Bewundernswert finde ich die beinahe liebliche Einigkeit mit Ihrem Koalitionspartner Herrn Müntefering. Es wird regiert wie in einer funktionierenden Familie in der an oberster Stelle die Harmonie steht. Das ist ein wenig protestantisch aber auch gut so, das wahlgebeutelte Volk braucht ruhige Vorbilder um sich auf die Zukunft vorzubereiten, eine Zukunft über die sie sich noch klarer äußern müssen damit wir, das Volk uns einstellen können ob sozial verträglich gewirtschaftet wird oder kalt neoliberal die AG´s und Konzerne das Sagen haben. Ich wünsche uns - und das hoffentlich auch in Ihrem Sinne - eine Perspektive die nicht nur Angst und Zittern um den Job, das Einkommen, die Rente oder die Finanzierung der Krankenkassen vorherrscht, sondern auch ein wenig neue Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

Und damit bin ich bei Ihrer Neujahrsansprache. Sie haben versucht den Menschen Mut zu machen, Mut neue Wege zu gehen und endlich aus dem nationalen und lieb gewonnenen Gejammer raus zukommen. Recht haben Sie! Nur ist da und dort noch so ein Hacken um die Ideen aus dem Volke und für das Allgemeinwohl umzusetzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und dieses, ah so geprügelte Deutschland wieder an die Spitze zu bringen. Ich kenne Leute die haben sehr gute Ideen und sind bereit ein großes Risiko einzugehen. Dennoch benötigen sie Startkapital und fachliche Unterstützung die wiederum nur für Geld zu bekommen ist. Ja, ich weiß dass es Fördermittel aus den verschiedenen Institutionen und von der Bundesregierung fließen und dass es da Entscheider gibt die guten Willens sind, die Idee zu fördern. Wie Sie sehr richtig erkannt haben. Diese Vergaben sind schon unter Ihren Vorgängern üblich gewesen und dennoch hat es im Sinne von Arbeitsplätzen nicht den erhofften Erfolg gebracht. Viele gute Leute sind mit den zukunftsorientierten Ideen ins Ausland gegangen und hatten dort Erfolg damit. Der Grund ist teils recht einfach, ein wirtschaftliches Interesse der Kommunen und Länder einerseits und eine höhere Beweglichkeit der Banken und Geldgeber. Hierzulande geht es nicht allein um den neuen Mut der Menschen, vielmehr um weniger Egoismus der großen Banken, Konzerne und Unternehmen. Manchmal hat man als Bewohner dieses Landes das Gefühl eine Bank nur konsultieren zu dürfen wenn das gewünschte Kapital in Immobilien vorhanden oder die Oma auf dem Sparbuch hat. Freie Bankenwirtschaft heißt aber leider auch Diesen ausgeliefert zu sein, eine Zinspolitik zu akzeptieren die an Wucher grenzt und dafür tausende Arbeitsplätze unter dem Schleier der internationalen Konkurrenz einsparen. So haben wir leider beides nicht, Menschen mit Mut zum Risiko und Arbeitsplätze.

Sie haben von Forschung gesprochen, ein Thema bei dem ich gerne zuhöre und oft nicht verstehe worum es wirklich geht. In einem TV-Duell mit Ihrem Vorgänger haben Sie richtigerweise erkannt das Deutschland, betreffend die Patente und Erfindungen weltweit an zweiter Stelle steht. Ich würde eher sagen an fast erster Stelle, den anders als in der USA wird hier nicht jeder Punkt der zusätzlich zu einer Software gefunden wird als Patent angenommen. Landauf und Landab finden wir Menschen die sich für Entwicklung und Forschung in Medizin, Elektronik, Bildung und so weiter einsetzten. Diesen Menschen und Institutionen haben wir unsere internationalen Erfolge zu verdanken. Kaum eine Produktionsstrasse die ich in China, in Europa oder in Indien gesehen habe die nicht aus Deutschland kommt, Maschinen von höchster technischer Qualität, absoluter Präzision und Zuverlässigkeit. Ich gebe Ihnen durchaus Recht das einige Regeln und Geläufigkeiten in der Mittelvergabe verändert werden müssen und auch sollen. Heute werden Begriffe wie „Eliteuniversitäten“ oder „Forschungselite“ verwendet um die Mittel knapper und konzentrierter zu verteilen. Ihr Vorgänger hat 70 Millionen Euro für die Schaffung von Universitäten mit dem Beigeschmack Elite vergeben, gut aber wo bleiben die dringend benötigten Ausgaben für die Bildung der Kinder die in naher Zukunft das Land an die erste Stelle der Patente und Erfindungen führen soll?

Ob Ihr Appell an die Bürger, sich stärker in wohltätigen Gruppierungen und Vereinen zu betätigen und den Mitmenschen näher zu stehen, erfolgreich sein wird bezweifle ich sehr. Die Menschen denken hierzulande nicht im wahren Sinne von „Wir“. Wir das sind die, die mit uns in der gleichen Situation sind und nicht die anderen, die keine Deutschen sind, keinen Arbeitplatz haben oder nicht Christen sind. Zu unterscheiden hat die Volksseele auch durch die Politik gelernt, eine Politik die gekündigte Menschen, rechtlich zu Bürgern zweiter Klasse und zu Schuldnern macht, die wenig unternimmt Muslime aus dem allgemeinen Terrorverdacht zu lösen, die den Aktiengesellschaften und Konzernen vorauseilend die gesetzliche Möglichkeit des bedenkenlosen und unverantwortlichen Abzockens gibt. Wäre vorerst nicht wichtig klar zu stellen wer welche Verantwortung mit seinem Handeln für die Allgemeinheit und für die von Ihnen und uns so geliebte Zukunft hat?

Sie haben sich auch zur Aufgabe gestellt eine europäische Verfassung, oder besser eine verbesserte europäische Verfassung mit ihren Kollegen auf den Weg zu bringen. Das freut mich, und wenn diese Verfassung auch noch soziale und Komponenten der Menschenwürde beinhaltet ist der Erfolg einer Akzeptanz zu erreichen. In einigen Punkten, die gegen eine Gemeinsamkeit im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft sprechen sollten Sie als Vertreterin einer Volkspartei, alles daran setzten diese zu verändern. Ich bin mir sicher dass Sie in Ihrer bewiesenen Kompromissbereitschaft dazu fähig sind. Eine Bitte habe ich diesbezüglich an Sie: Lassen Sie bitte so genannte „christliche“ Werte auch aus der zukünftigen europäischen Verfassung weg. Ändern Sie es einfach auf humane und ethische Werte.

Eines ist mir noch besonders aufgefallen, Sie tragen eine Brille. Die steht Ihnen sehr gut und verändert Sie - soweit ich das sagen darf - sehr positiv. Eine Veränderung in Richtung Willen und Taten.

Persönlich wünsche Ich Ihnen für 2006 viel Erfolg in Ihrer politischen wie auch parteilichen Arbeit und das Sie jemanden haben der Ihnen auch die Hand hält, wenn es stürmisch wird am Parkett der großen Hoffnungen nach außen und dem Überlebenskampf im Inneren der machtbesessenen Kollegen.

Mit freundlichen Grüßen

nicodemus

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Montag, 5. Dezember 2005
Gefangenentransporte
Verwunderlich war es schon, das plötzlich die Flüge der CIA von und nach Deutschland, Gefangenentransporten dienten. Zumal nicht nur die Flugroute sondern auch der Grund für Flugbewegungen angegeben werden soll um, nicht zuletzt auch Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention zu vermeiden. Noch weniger einleuchtend ist die vorgegebene Unwissenheit der Politiker obwohl Otto Schily (stellvertretend für die gesamte Regierung) im Mai 2004 über ein „Versehen“ der Amerikaner, nämlich die Gefangennahme eines deutschen Staatsbürgers, informiert wurde. Der Deutsche Khaled el-Masri wurde Ende 2003 unter Terrorismusverdacht von der CIA in Mazedonien entführt, nach Afghanistan gebracht und mit „folterähnlichen Methoden“ verhört.

Es ist anzunehmen das nicht nur der Ex-Innenminister von diesem völkerrechtswidrigen „Versehen“ wusste, auch der damalige Leiter des Kanzleramts und heutiger Finanzminister Per Steinbrück muss in Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten von den Transporten gewusst haben. Es ist weiters nicht anzunehmen dass der deutsche Geheimdienst nicht über den Hintergrund der Flüge von und nach Deutschland informiert war.

Einerseits hält die Bundesrepublik löblich Abstand zu dem Krieg im Irak und lässt auf der anderen Seite Menschenrechtsverletzungen der USA auf und über deutschem Boden zu. Die ratifizierte Menschenrechtskonvention besagt eindeutig dass der Transport von Kriegsgefangenen gar nicht, von Gefangenen schlechthin nur mit Sondergenehmigung, über das Bundesgebiet erfolgen darf. Weiters ist seit der Information an den Ex-Innenminister bekannt dass ein Gefangener gefoltert wurde. Folter ist nach dem Grundgesetz verpönt und strafbar ebenso wie bei jedem Verbrechen, auch die Mitwisserschaft.

Hier geht es nicht allein um das Verhalten der Amerikaner. Vielmehr entsteht der Eindruck von deutscher Unrechtsduldung im höchsten Ausmaß und das ist in keinem Fall vertretbar, wie auch die politischen Gegengeschäfte dabei aussehen oder was sie bewirken. Der Schritt aus der „Unrechtsduldung“ und dem lavierende Verhalten der Regierung kann nur durch Aufklärung erfolgen. Dies würde aber auch heißen dass der Untersuchungsausschuss sein Augenmerk auf den heutigen Außenminister legen muss. Weder die Kanzlerin noch Ihr Vize haben Interesse an der Image - Demontage eines Regierungsmitglieds. Es lebe die Demokratie – auch der CIA!

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Freitag, 2. Dezember 2005
1000!
Die 1000. Hinrichtung : seit der Wiedereinführung der Todesstrafe vor 30 Jahren wurde heute in den USA vollstreckt. Um 8:00 MEZ wurde der 57 jährige Kenneth Lee Boyd im Staat North Carolina mit einer Giftspritze getötet.

Boyd war ein Doppelmörder und litt unter starken Depressionen seit seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg. Mord ist natürlich nicht entschuldbar, solange das Individuum trotz seelischer oder geistiger Krankheit die Tragweite seiner Tat im Voraus erkennen kann. Auch Affekthandlung kann und darf keine Entschuldigung oder Minderung des Tatbestandes sein.

Darf ein Rechtsstaat, und als solcher bezeichnet sich die USA, Menschen zum Tode verurteilen?

Wird dadurch nicht der Damm der Menschlichkeit vom Staat und damit von der Allgemeinheit überschritten?

Wird durch die rechtsstaatliche Lizenz das Töten als Form der ultimativen Strafe nicht hintergründig das Morden als solches legitimiert?

Wenn die Legislative selbst zum Mörder wird und als Vorbild im vollkommen falsch verstandenen Gerechtigkeitssinn eben diese Tat als letzte Konsequenz für sich in Anspruch nimmt, warum muss sich dann der Bürger anders verhalten?

1000 Hinrichtungen in 30 Jahren. 120 der Delinquenten sind nachweislich aufgrund von Nachlässigkeit und Formfehlern der Gerichte unschuldig oder nicht die Täter gewesen. Viele der Hingerichteten waren geistig teils bis stark behindert. Die Tötungsdelikte sind in den Staaten mit der Todesstrafe um 40%! höher als in den 12 Staaten ohne diesem Freibrief des legitimen Mordens.

Die Abschaffung der Todesstrafe wird nicht nur von den Menschenrechtsorganisationen und zum beträchtlichen Teil von den Amerikanern selbst gefordert. Leider ist dieses Gesetz bei jedem Wahlkampf um ein Gouverneuramt ein beliebtes Mittel, um Stärke zu demonstrieren. Selbst der in Europa sehr beliebte Bill Clinton hat in seinem Wahlkampf um das Präsidentenamt als Gouverneur eine Begnadigung eines geistig Behinderten verweigert, um den harten und entschlossenen Kandidaten zu mimen.

Denken wir an den Irakkrieg oder die jüngsten Diskussionen über die Gefangenentransporte der CIA in Europa. Warum soll man nicht foltern dürfen, wenn schon das Morden erlaubt ist. So mancher unliebsame Gegner oder Andersdenkende kann so mit ruhigem Gewissen entsorgt werden, der Schritt dorthin ist nur ein kleiner.

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Dienstag, 22. November 2005
U-Boote und Israel
Kolleg(in) Koriander: hat einen interessanten Beitrag über den U-Bootverkauf Deutschlands an Israel gepostet. Nach dem einige online News Verbreiter sich darüber mokieren, dass Deutschland für die Waffen einen Nachlass von 333 Millionen gewährt, ist beim hintergrundlosen Betrachteten, Nachdenken und Aufregen angebracht. Die U-Boote sollen nach Angaben der News Verbreiter eine Milliarde Euro kosten und werden von HDW einem Tochterkonzern der Thyssen Krupp Marine Systems gebaut. Die HDW beschäftigt ca. 3000 Mitarbeiter. Preisangaben über Waffen - speziell in Europa - sind immer fiktiv, da es um mehr geht, als nur zu verkaufen. Damit werden auch Zusagen für den Frieden und Nichtangriffsverträge ver- und gekauft, politische Einflüsse manifestiert und wirtschaftliche Verträge erweitert oder erneuert. Mit einem schwarz - weißen Auge kann eine solcher Vertrag nicht gesehen werden.

Warum kauft Israel die U-Boote nicht bei den amerikanischen Freunden (wo sie auch billiger sind), sondern ausgerechnet bei der EU, die bekanntermaßen - Na, sagen wir mal beide Positionen im nahen Osten in gleicher Stellung sieht?
Einerseits wird auch in Israel die Position der Amerikaner im arabischen Raum als problematisch eingeschätzt und eine Offensivwaffe wie ein U-Boot (von den Amerikanern) könnte die Friedensbemühungen sehr schnell zunichte machen und weitere Gegner auf den Plan rufen, andererseits hat die EU schon mal den Palästinensern „unter die Arme gegriffen“ nach den Friedensvereinbarungen von Isak Rabbin vor zehn Jahren und zwar ohne Forderungen gegenüber Israel. Heute stehen wir vor einem Neuanfang, sowohl in Palästina als auch in kürze in Israel.
Wenn die EU die Zusage Israels über einen unumgänglichen Frieden hat, wird man sich über eine Finanzierung zum Aufbau Palästinas einigen und das Hauptproblem - die desolate wirtschaftliche Situation Israels - versuchen, zu verbessern. Die EU hat wieder einen starken Einfluss im Nahen Osten und damit in der arabischen Liga, profitiert dadurch nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Sprich Energieversorgung! Die arabische Welt wird nach dem Abzug der Amerikaner im Irak einen starken westlichen Partner brauchen.
Warum gerade Deutschland die U-Boote liefern soll? Einfach zu erklären durch die Nichtrektion arabischer Länder. Deutschland genießt, auch dank vorangegangener Regierung, einen sehr guten Ruf betreffend der politischen Zuverlässigkeit und stabiler Haltung gegenüber den USA.
Das Gequäke so mancher Journalisten und Blätter ist schwer begreiflich und nicht durchdacht. Leider sind von den vielen Schreiberlingen nur wenige fähig, über den eigenen kurzen Horizont hinweg zu denken.

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Mittwoch, 16. November 2005
vergessene Kinder der Cités
„Gewalt kann in der Radikalisierung von Menschen und Gruppen gründen….die eine Zeit lang glauben, an der Moderne teilhaben zu können, oder tatsächlich teilhatten, bevor sie ausgestoßen werden…“

Der französische Soziologe Michel Wieviorka hat eine Studie veröffentlicht, die die gegenwärtigen Unruhen in den Vorstädten von Frankreichs Metropolen beleuchtet. Eine Studie, die nach den Gründen der Gewalt sucht und auch die brennenden Fragen beantwortet. Fragen, warum Individuen und Gruppen gewalttätig werden und welche Komponenten, sowohl sozial, ethnisch wie auch politisch zum Ausbruch von Vernichtung und Gewalt führen.



Eine Fahrt mit der Metro vom Zentrum in Paris in eine der Arbeitersiedlungen an der Peripherie ist wie ein Ankommen aus dem lieblichen und romantischen Pariser Bauch in einem anderen Kontinent, ein Eintauchen in den urbanen Horror. Graue, abgewohnte Hochhäuser zwischen verlassenen Lagerhallen und einer Schnellstrasse, Autobahn oder Hochgeschwindigkeitsbahnlinie; endlose schmucklose Betonfassaden entlang der Strassen. Viele der Cités sind nicht an Tramlinien angeschlossen oder haben keine Buslinien, ganz zu schweigen von kulturellen Einrichtungen wie Theater oder kultivierten Anlagen. Zwischen den hoch aufragenden, stehlenartigen Hochhäusern, teils noch aus den Fünfziger Jahren, gibt es nur wenig Spielplätze und die sind die meiste Zeit verdreckt und werden nicht gepflegt. Eine Trostlosigkeit, die sich in die Seele der Bewohner frisst - und um ihr zu entfliehen, muss man lange Wege bis zur nächsten Metro-Station oder zum Bahnhof überwinden. Die Hochhäuser bewohnen teils bis zu achthundert Personen. Sie sind heruntergekommen, die Lifte funktionieren nicht, die Bauweise ist so billig, dass man die Toilettenspülung über Stockwerke hört, ebenso wie jeden Streit und jede Gewalt unter den Familien oder Bewohnern.

2004 betrug die Arbeitslosenrate der 15- bis 59-Jährigen in den französischen Problemgebieten um Paris, Lyon, Marseille und im Elsass 20,7%, das Doppelte des Landesdurchschnitts. Die Verlierer sind mehrheitlich die Kinder und Enkel der Arbeiter, die in den Siebzigern, vor der Ölkrise aus dem Maghreb geholt, ja eher importiert wurden. Wenig oder schlecht ausgebildet waren sie die ersten Opfer der Deindustrialisierung und des neoliberalen Wirtschaftskurses, chancenlos und für die Wirtschaft nicht mehr brauchbar.

Michel Wieviorka spricht von einer Krise der Autoritäten, von einer Auflösung der sozialen Bande, dem Verfall der Institutionen. Der Autoritätsverfall beginnt in den Schulen mit überfüllten Klassen, Lehrern, die Berufsanfänger sind und erfahrungslos in die soziale Spannungssituation entlassen werden. Es gibt in vielen Schulen der Cités keine Mischung zwischen Kindern von Migranten und Franzosen, eine frühe Integration in die Gesellschaft außerhalb der Wohnsilos ist damit ausgeschlossen. Zumal eine Integration weder in die französische Gesellschaft noch in die der ursprünglichen Herkunft der Eltern vor sich geht und ein Einleben nur in den zur Alltäglichkeit gewordenen Ausnahmezustand, sowohl psychisch als auch physisch geschieht. Eltern, wenn Sie Arbeit haben, sind aufgrund der langen Wege bis in die späten Abendstunden außer Haus und die Kinder meist unbeaufsichtigt. Bei Langzeitarbeitslosen ist die psychische Autorität von vornherein untergraben. Sie sind für die Kinder in vielerlei Hinsicht kein Vorbild. Der Zustand zermürbt viele bis zur Mutlosigkeit und die fehlende Perspektive wird von den Kindern erlebt. Der Einzelne wird nicht mehr zum Handelnden und Bestimmenden über seine Existenz. Dadurch werden staatliche Institutionen zu Feindbildern und die jungen „Banlieusards“ haben keine positive Beziehung mehr zum Arbeitsamt, zu Busfahrern, Feuerwehrleuten - sogar der Postbote symbolisiert das Negative, den Vertreter der feindlichen Macht. Das Verhältnis zum „Service public“ ist von Angst, Misstrauen und Aggressivität geprägt.



Die meisten der Bewohner der Cités haben zu Recht den Eindruck, allein aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft von der Polizei kontrolliert zu werden. Es ist nicht allein die rassistische Einstellung der Beamten gegenüber den Menschen, Rassismus ist in der französischen Gesellschaft weit verbreitet. Antirassistische Vereinigungen können davon seitenlang berichten, dass Bewerbungen schon aufgrund des Namens aussortiert werden, wenn das nicht gelingt, wird der Kandidat spätestens beim Vorstellungsgespräch abgewimmelt. Ein weißer Franzose mit weniger guter Ausbildung oder fehlender Erfahrung hat erheblich mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Resultierend aus den täglichen Erfahrungen im Umgang mit den Franzosen der sauberen und konsumgierigen Innenstadt - Gesellschaft und den Behörden entsteht bei den Banlieusards eine Opfermentalität. „…die jungen sind von einem Misstrauen beseelt, das an Verfolgungswahn grenzt“, beschreibt der Soziologe Eric Marliére. Alles wird zum Zeichen einer imaginären polizeilichen Überwachung. Es reicht schon, wenn eine Person öfter auf einem Platz auftaucht oder ein Fremder in den Häuserschluchten gesehen wird, sofort wird es als Machtausübung des Staates, als Bespitzelung gesehen. Das alles umfassende, pathologische Misstrauen verhindert soziale Kontakte nach draußen. Für die „blacks“ und „beurs“ sind Weisse a priori Feinde und es geht soweit dass es zu einem antiweissen Rassismus kommt und ein kleiner Funke genügt um einen Flächenbrand zu entzünden.

Das Misstrauen und die Opfermentalität verhindern eine Mobilität der jungen Cités- Bewohner. Ihre räumliche Mobilität ist nicht größer als ihre soziale. Das Territorium der Beweglichkeit begrenzt sich auf die nähere Umgebung des Wohnorts und diese wird durch die Gemeinsamkeit verteidigt und beherrscht. Die Jungen stehen in einem Gruppenzwang dieser Kultur. Individuelles Handels wird unterbunden und dem Druck der Gruppe kann sich keiner entziehen. Wenn der Innenminister von „…verlorenem Territorium, das wieder erobert werden muss…“ spricht, wird dies von den Gruppen als Ankündigung eines Kampfes gegen ihr Gebiet, ihren verblieben Lebensmittelpunkt verstanden. Und in dieser Hoffnungslosigkeit ist die Verteidigung gegen die „Landnahme“ in den Augen der Bewohner nur legitim. Dazu kommt der Ehrenkodex der Gruppe, Rache zu nehmen für den „Polizeimord“ an den beiden Jugendlichen, die auf Ihrer Flucht ums Leben kamen. Die Bezeichnung der Cités- Bewohner als „racaille“ (verachtenswertes Gesindel) durch den Innenminister Sarkosy heizt die anti-gesellschaftliche Stimmung nochmals auf und bietet den „Straßenkämpfern“ eine zusätzliche Plattform, um die nächtlichen Feuer zu rechtfertigen.



„Gewalt ist der Ausdruck einer unterdrückten Subjektivität…., in der das Individuum der Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen beraubt wird“

Frankreichs Politiker sind in einer prekären bis peinlichen Lage und eine Antwort, die „Ausnahmezustand“ heißt, ist nur eine Verzögerung einer seit Jahrzehnten fälligen Lösung - und nicht eine Einstellung der bereits gelaufenen finanziellen Mittel zur Verbesserung der Lebenssituation und einer Konfliktvermeidung durch Prävention.



Die ersten größeren Unruhen fanden bereits

1979

in der Cité Olivier-de-Serres bei Lyon statt. Damals wurden Polizisten mit Steinen und teils mit Schüssen empfangen. Jugendliche stahlen in der Innenstadt von Paris einen Wagen und fuhren damit in das „Ghetto“, wo der Wagen abgebrannt wurde.

1981

war der „heisse Sommer“. Innerhalb von drei Monaten brennen in den verschieden Cités Autos. Die frisch gewählte linke Regierung beschließt in den unruhigen Zonen „mit ungleichen Maßnahmen, die ungleichen schulischen Bedingungen zu verbessern“.

15.10.1983

„marche des beurs“ tausende Bewohner der Cités marschieren zu Fuss nach Paris um gegen Ungleichheit und Rassismus zu demonstrieren.

1984

gründen die Sozialisten den Verein „SOS-Racisme“, der zu einem Club der Schöngeister abdriftet und der harten Realität in den Ghettos nichts entgegensetzten kann. Der einzige Erfolg dieser Maßnahme war die Abwendung der eingebürgerten Immigranten von der Linken.

6.10.1990

in Vaulx-en-Velin kommt ein junger, körperbehinderter Schwarzer bei einem Motorradunfall ums Leben. Der Motorradfahrer behauptet, die Polizei habe ihn geschnitten und er konnte den Unfall nicht mehr verhindern. (in den Folgejahren kommt es zu mehreren solcher Unfälle) Es kommt zu einem dreitägigen Aufruhr mit dutzenden Festnahmen und Verletzten. Am 12. November mischen sich junge Banlieusards unter demonstrierende Schüler und Studenten, schlagen Schaufenster ein und plündern Geschäfte.

4.12.1990

wird unter Mitterrand die „Vermenschlichung“ der Cités beschlossen. Hochhäuser für Sozial Bedürftige werden nicht mehr gebaut. An ihre Stelle kommen Einfamilienhäuser und die Subventionen der lokalen Kulturvereine werden erhöht. Die jetzige Regierung hat 2003 die Neubauten gestoppt und begonnen, die verhassten Hochhäuser zu sanieren. Die Förderung der Kultur- und Sozialvereine wird eingestellt, dadurch verschwinden hunderte von Anlaufstellen zur Verhinderung von Konflikten.

27.10.2005

Ausbruch von Unruhen in Clichy-sous-Bois. Bis zum 13. November 05 sind über 8500 Fahrzeuge ausgebrannt. Bemerkenswert ist, dass keine schweren Übergriffe der Polizei verzeichnet wurden.

14.11.2005

Präsident Chirac wendet sich an die Nation via Television und beschwört die Chancengleichheit aller Franzosen und verurteilt jegliche Diskriminierung. Verweist in der gleichen Ansprache auf die Herstellung der Ordnung und Bestraffung der „Schuldigen“ mit dem Satz „das unter allen Umständen dem Gesetz Achtung verschafft werde“.

Der Autor fragt sich: wo will Chirac die Hunderttausenden der sozial Ausgestoßenen und Diskriminierten einsperren? In ganz Europa wurden bis in die Siebziger Arbeitskräfte aus allen möglichen Ländern importiert. Im Zuge der Globalisierung sind diese Menschen und ihre Nachkommen überflüssig geworden und Europa besinnt sich wieder auf das Europäische und Althergebrachte. Das Problem ist nur, dass die ehemaligen „Gastarbeiter“ nicht die einzigen sind, die überflüssig in der Wohlstandsgesellschaft erscheinen. Menschen ohne Arbeit werden auch in Deutschland als beinahe Gesetzlose behandelt und können nur mehr in einem begrenzten Raum an Möglichkeiten leben und nicht nur die finanzielle Möglichkeit der Mobilität ist beschränkt, auch der Gesetzgeber denkt über eine Reisebeschränkung nach. Individuen ohne Job sind im Produktionsablauf nicht integrierbar, im Staatshaushalt unter Ausgaben verzeichnet und als Konsumenten nicht voll identifizierbar. Wohin damit?

Quelle: Studie über die Komponenten zu Gewaltausbrüchen von Michel Wieviorka.
Die Zitate stammen aus der Studie.
NZZ Nr.266

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Dienstag, 8. November 2005
Milchmädchenrechnungen
Wie oft muss man Milchmädchenrechnungen wiederholen, bis diese verstanden werden? Gut, für oftmalige Wiederholungen sprechen die Pisastudien, nun betrifft die Rechnung aber nicht Kinder von Arbeitslosen und Unterprivilegierten, sondern erfahrene Politiker. Von diesen muss angenommen werden, dass sie wissen, was ihr Land aus dem stagnierenden Zustand und damit auch das Volk wieder nach vorne bringt. Aber irgendwie hat noch niemand die Fähigkeiten und die Intelligenz der Politmächte überprüft. Das Ergebnis wäre erschreckend, wenn man die Koalitionsverhandlungen in Berlin betrachtet.

Der Ausgangspunkt für die zukünftige Regierung ist einfach und selbst jedem BILD-Zeitungsleser inzwischen klar. Hohe Arbeitslosigkeit, desolater Bundeshaushalt, fehlende Steuereinnahmen, keine neuen Arbeitplätze in Sicht, keine weiteren Steuereinnahmen, Stagnation bei Löhnen und kein Silberstreif am Horizont. Im Gegenteil, weiterer Stellenabbau bei Telecom, Deutsche Bank und in der gesamten Autoindustrie und das unwürdige Volk hält sich auch noch mit dem Konsum zurück, absolut unverständlich. Dann sitzt auch noch der europäische Stabilitätspakt für 2007 im Nacken.

Nun haben wir von Lösungen und Konsolidierung aus Berlin gehört, die folgendes nach sich ziehen:
a.)weniger Staatsausgaben
bedeutet: weniger staatliche Investitionen – weniger Arbeitsplätze, geringere Sozialausgaben, geringere Rentenzuschüsse usw.
b.)höhere Steuerbelastung
bedeutet: Die, die ein Einkommen haben, werden stärker zur Kasse gebeten, eine Zumutung die sich sehen lässt. Die drei Prozent „Reichensteuer“ sind in dem Loch wie ein Tropfen auf dem heißen Stein und wer die Möglichkeit hat, verbirgt sein Geld vor dem Fiskus. Eine noch höhere Steuerbelastung würde für 80% der Haushalte nur bedeuten – sparen, was das Zeug hält, um über die Runden zu kommen. Fazit: die Lebenshaltungskosten steigen weiterhin, die geschundene Binnennachfrage sinkt rapide, bis hin zur Depression – weniger Steuereinnahmen!
Bestes Beispiel für die Folgen solchen Handelns sind aus der Vergangenheit sind die Erfahrungen Japans. 1997 war ein leichter Aufschwung zu verzeichnen und die Regierung erhöhte unter anderem die Mehrwertsteuer ohne einen Ausgleich. Die Wirtschaft und der Konsum kippten für weitere sieben Jahre. Auch hier wurde versucht, das Defizit schnellstmöglich zu bereinigen - mit der Erkenntnis eines noch größeren Haushaltslochs.

Reden wir doch mal über die wirtschaftlichen Grundbedingungen Deutschlands aus der momentanen Sicht. Die Lohnstückkosten sind auf dem Niveau von 1995 und weltweit die effizientesten. Seit fünf Jahren sinken die Lohnkosten. Die Gewinne der Konzerne haben im ersten Halbjahr 2005 um 22 Prozent zugelegt. Die Zahl der offenen Stellen ist etwas gestiegen, aber nicht proportional mit den Gewinnen. Auch 2006 werden die Löhne nur geringfügig angehoben (laut Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute); die Selbständigen- und Vermögenseinkommen werden erneut beträchtlich nach oben schnellen weil Aktionäre und Unternehmer kräftig profitieren. Die hier gemeinten Unternehmer sind nicht der kleine Einzelhändler oder der Klempner und Schreiner, sondern Vorstände von Banken, Aktiengesellschaften, Inhaber von Textilketten, Lebensmittelkonzernen usw.

Lösungen? Es gibt welche, aber zu allererst – Schulden kann man nicht nur auf Kosten von noch höherer Belastung der Bürger abbauen, damit steigt die Verschuldung im schlimmsten Fall weiter. Fragen wir uns doch: welches
Unternehmen genießt die Vorteile einer funktionierenden Infrastruktur und trägt volkswirtschaftlich wenig bis nichts dazu bei? Welcher rationalisierte Betrieb oder besser welche produzierende Maschine beteiligt sich an den allgemeinen Kosten? Müssen Firmen mit satten Gewinnen subventioniert werden, damit sie nach erhaltenem Zuschuss Arbeitsplätze (siehe Samsung Berlin) streichen? Muss die Allgemeinheit neue Unternehmensprojekte (Müller-Milch) bezahlen, damit Arbeitsplätze entsorgt werden? Kann und darf die Vergabe von Geldern zur wirtschaftlichen Unterstützung geheim bleiben?

Für Lösungen braucht die Politik einige Mathematikstunden, Mut und Ideen - an allem fehlt es.

Da ist noch so ein Sozialromantiker ;--))

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Mittwoch, 26. Oktober 2005
Naturkatastrophen und Auswirkungen
Islamistische Extremisten wie der zweite Mann in der Kaida, Ayman az-Zawahiri habe ihre Not mit der internationalen Hilfe. Der Klartext, des am Sonntag ausgestrahlten Videos beim Sender al-Jazira, bedeutet wohl das Amerika und der Westen dabei sind, mit ihrer Hilfe für die Erdbebenopfer im Bezirk von Mansehra, Sympathien bei der lokalen Bevölkerung zu gewinnen. Das bringt natürlich die Kaida in Schwierigkeiten wenn die Zahl der Pakistani, die durch Unwissenheit der Hetzkampanie folgten und die Westler als Egoistische, den Islam ausbeutende Monster ansahen. Durch die Hilfe und den direkten Kontakt mit amerikanischen und europäischen Hilfsorganisationen verändert sich das Bild in der Bevölkerung drastisch.

Ayman az-Zawahiri rief alle Muslime zur Hilfe für die betroffenen Gebiete auf. Man kann ihm nicht unterstellen dass er sich nicht mit großem humanitärem Einsatz seiner Glaubensbrüder annimmt. Einige der rekrutierten Helfer haben Spitäler, Flüchtlingsunterkünfte und Nahrungsmittelzentren eingerichtet Ein guter Grund sowenig internationale Hilfe wie möglich in die gebirgige Gegend eindringen zu lassen sind die versteckten Waffenarsenale der Al Kaida anhägenden Unterorganisationen von Extremisten. Ein deutscher Helfer traf nach eigenen Angaben auf einen Lastwagenkonvoi der im Verkehrsgewühl auf einer Brücke im Kunhar-Tal stecken geblieben war und anstelle von Hilfsgütern Waffen geladen hat um diese unentdeckt aus dem betroffenen Gegenden zu bringen.

Auch der pakistanische Präsident Musharrafs steckt in einen Dilemma. Die dringend benötigte Öffnung der Grenze zu Indien in Kaschmir bringt ihn nicht nur international unter Druck. Im eigenen Land werden Stimmen der Wut und Enttäuschung laut. Dringend notwendig ist dieser Schritt um Hilfsgüter schneller zu den Opfern zu bringen. Musharrafs befürchtet, dass eine Öffnung der Grenze auf beiden Seiten eine Verbrüderung auslöst, welche der staatlichen Kontrolle entgleiten könnte. Dehli macht sich die Schwäche Islamabads für weitere Goodwill-Offensiven zunutze und wies die Arme an entlang der Waffenstillstandslinie nach Übergangspunkten zu suchen um die Pakistanis eventuell durch eine Potonbrücke medizinisch auf indischer Seite zu versorgen und nach der Behandlung wieder zurück zu schicken.

Die Militärregierung in Islamabad wir es schwer haben die Scharmützel gegen Indien weiterhin zu rechtfertigen. Die ersten Berichte in den Zeitungen mahnen eine Verschiebung des Ankaufs amerikanischer Überschalljäger an. Nach machiavellischem Plan muss der Konflikt nach außen geschürt werden um die (Macht) Probleme im Inneren zu verschleiern.

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Montag, 19. September 2005
Der Sieg hat viele Väter...
bei einer Schlappe nur eine Schuldige: Angela Merkel!
In den letzten Tagen vor der Wahl zeichnete sich die Position von Frau Merkel innerhalb ihrer eigenen und der Schwesterpartei ab. Kirchhof verschwand von der Bildfläche und Merz wurde wieder aus den Tiefen der konservativen Verbannung hervorgeholt. Mit Merz kam wieder die alte Rigge der Patriarchen mit ihrem Hauptvertreter Robert Koch an die Oberfläche und hat sich sehr schnell trockengeschüttelt und das Parfüm des Sieges wabberte um ihre Nasen. Merkel wurde kleinlaut und stereotyp, schielt zu Stoiber wie eine Maus zu Schlange. Der mögliche Koalitionspartner hat große Zugewinne vor allem aus den Reihen der CDU/CSU, dennoch reicht es nicht für eine Regierung und Westerwelle zieht sich zurück in die Opposition, etwas schmollend. Stoiber wirkt irgendwie depressiv, schießt kurze Salven und verfällt wieder ins Augenreiben.

Die Einen haben nicht Mehrheit erreicht und die Anderen haben sie verloren: Bei Schröder hat man den Eindruck das er es noch nicht ganz verstanden hat in welcher Position er sich befindet und beharrt auf den Kanzler. Wie immer im Moment gerechnet wird, der SPD fehlen 4 Mandate zur stärksten Fraktion, ob sich das mit dem Ergebnis in Dresden ändert bleibt eher zu bezweifeln. Die Grünen, Buhmänner und Frauen für die Konservativen und vor allem Liberalen akzeptieren das Ergebnis und stehen auch für die Opposition zur Verfügung. Anders als Schröder hat Fischer sehr wohl gemerkt wohin sich die Position der Partei verlagert hat.

Der Wille des Souveräns ist nicht eindeutig und die Großparteien verlieren. Es ist ein Diskurs zwischen einem solidarischen Staat und den Schritt in eine liberale Wirtschaftspolitik. Die radikalsten Vertreter sowohl des neoliberalen als auch kostenintensiven sozialen Kurses erreichen einen Stimmenanteil von etwas unter 10%. Keine Größen die übersehen werden können und es zeigt auch deutlich ein Gesellschaftsbild, dass sonst nur vermutbar ist. Um die 10% der Bürger verteidigt Ihre Pfründe und fast ebenso viele kämpfen um ein würdigeres und angstloseres Leben. Gegensätze die gesellschaftlich nicht vereinbar sind, die noch weiter auseinander driften werden, egal welche Regierung nun gestellt wird. Ein freiwilliger Konsens der Lager hat ausgedient, passt nicht mehr zu den Forderungen der kompletten wirtschaftlichen Öffnung der einen und dem Pochen der auf soziale Gerechtigkeit der anderen.

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Donnerstag, 15. September 2005
Arbeit│Kinder│Subventionen
Wenige Tage vor der Wahl und die brennende Frage für viele in diesem Land „Wie wird Arbeit geschaffen“ bleibt unbeantwortet. Um ehrlich zu sein, es gibt auch keine verbindliche Antwort oder ein erfolgreiches Konzept in dieser Situation. Natürlich können Bedingungen verbessert werden um Arbeit zu schaffen und die horrenden Arbeitslosenzahlen etwas zu minimieren, es ist immer die Frage des Preises der dafür aufgebracht werden muss.



Ob eine radikale Linie die Menschen wieder in Arbeit und Beruf zu bekommen, die der neoliberalen Vertreter ist bleibt mehr als nur zu bezweifeln. In den meisten Ländern wo sich diese Sichtweise durchgesetzt hat, ist die Arbeitslosenzahl ebenfalls sehr hoch und durch entsprechende Definitionen bleibt die wahre Zahl der Arbeitsuchenden unbekannt. Ein weiterer Schattenpunkt des Neoliberalismus liegt darin, dass bei einer Beschäftigung im unteren und mittleren Anspruchsbereich ein Job nicht genügt um den Lebenserhalt zu bestreiten. Auszuschließen, aus dieser Betrachtung sind für die Berufwelt Randgruppen wie Alleinerziehende, gering ausgebildete und natürlich alle die ein bestimmtes Alter erreicht haben. Die Forderung, jeder ist für sich selbst verantwortlich klingt im ersten Moment nicht ganz unvernünftig. Beim näheren Hinsehen klaffen hier Philosophie und Realität weit auseinander. Einerseits muss der Arbeitnehmer für seine Vorsorge und Gesundheitskosten selbst aufkommen, neben den Steuern, andererseits steigen die Löhne nicht oder wie im Falle Deutschlands sinken sogar, bedenkt man die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten kann nicht von einer marginalen Veränderung die Rede sein. Der Staat zieht sich, wie von der Wirtschaft gefordert in einen Rahmengeber mit wenig Kompetenz zurück. Auf der Strecke bleiben elementare Aufgaben die letztendlich auch der Wirtschaft dienen, wie eine gute Schulbildung, die Möglichkeit dass alle - egal welcher Einkommenskategorie sie angehören - Fachhochschulen und Universitäten besuchen können. Klar bleibt für die Zukunft nur, das eine gute Ausbildung und am besten noch vor dem 25. Lebensjahr ein Schritt ins Berufsleben ist. Nur ein Schritt, keine Garantie.



Ein Lieblingsthema der politischen Wahlkampfauseinandersetzungen waren Frauen, Frauen mit Kindern und Familien. Der Aufruf, noch stärkerer oder überhaupt zu Reproduzieren, hier vor allem von Frau Merkel und Herrn Westerwelle war nicht zu überhören. Ein Dilemma, in unserer Gesellschaft werden Kinder unter dem Aspekt der Kosten und Kariereverzögerung wenn schon nicht Verlust gesehen und Kinder schränken die Selbstverwirklichung ein. Kein Politiker lässt die Wortkombination „Kinder und Zukunft“ aus. Dass Eltern im Krabbel- und Vorschulalter durch öffentliche Institutionen unterstützt werden müssen ist selbstverständlich. denn …Kinder sind unsere Zukunft. Ich bin nicht der Überzeugung, dass die Entscheidung keine Kinder zu haben, überwiegend oder nur mit der Situation von Krabbelstuben zu tun hat. Auch ist es die Einstellung der Gesellschaft zu Kindern schlechthin und an dieser krankt es in Deutschland beträchtlich. Wenn sich 30jährige Frauen für ein Kind entscheiden werden sie von ihrer Umgebung nicht bestärkt sondern belächelt - bis hin zum Unverständnis von Gleichaltrigen. Es gibt ein probates Mittel, die zur Reproduktion zu „Bequemen“ bei ihrer Entscheidung zu helfen - eine Kinderlosensteuer vom 25. Lebensjahr an. Damit werden die Eltern und die Betreuungs- und Schulinstitutionen unterstützt. Es geht hier nicht um „bestrafen“ sondern um sichern der Altersvorsorge, auch der Kinderverweigerer. Mögen sie es als noch so ungerecht empfinden, wenn ein solidarischer Beitrag von Allen verlangt wird gehören auch Alle dazu.



Ein weiteres Lieblingsthema der schwarzgelben Politiker ist der Abbau von Bürokratie und Subventionen. Nun, stellen wir uns einen solchen Abbau vor. Hunderttausende müssten dann auf unbestimmte Zeit über die Arbeitslosigkeit finanziert werden. Eine Vereinfachung der Bürokratie ist schon lange überfällig und da anzusetzen würde einige strukturelle Probleme lösen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Lebensmittelbehörden sind in allen Bundesländern unterbesetzt und können ihre Aufgaben nur sporadisch erfüllen - nicht unbedingt zum Wohle der Gesellschaft.
Abbau der Kohlesubvention. Angesichts der steigenden Kosten für Energie ist im Moment die Forderung mehr als nur „fraglich“. Stellt der Staat die Subvention ein haben wir tausende Kumpels aus dem Wirtschaftskreis genommen und müssen diese wiederum „subventionieren“. Eine Subvention wie der Bergbau hat eine hohe Umwegrentabilität, abgesehen von der Energie gehen die Ausgaben in die Wirtschaft und kommen zum Teil als Steuern wieder zurück. Man kann sich vorstellen welche Umwegrentabilität das Arbeitslosengeld II hat. Die verbliebene Kaufkraft in den betroffenen Regionen würde noch weiter sinken und mehr Arbeitslosenempfänger produzieren.

Frau Merkel hat in einem Recht, die Steuer-Schlupflöcher müssen geschlossen werden und das Steuersystem vereinfacht.

Gefundene Blogerlinks zum Thema:
http://girl.twoday.net/stories/972823/
:::: tristesse deluxe ::::: 2005-09-15:
hot beer and cold women:
Koriander: 4 Tage bis zur Wahl: das König statt das Merkel:

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Montag, 5. September 2005
Duell Schröder Merkel...
Eigentlich hat mann/frau (für Alice Schwarzer)mehr von dem TV Duell erwartet. Die brennende Frage, wie mehr Arbeitsplätze geschaffen werden sollen ist weiterhin unbeantwortet. Auch habe ich noch immer keinen Schimmer davon, wie zum Beispiel Innovationen so gefördert werden sollen damit die Patente auch in Deutschland zu Geld - sprich Arbeitsplätze - umgesetzt werden. Rätselhaft bleibt die Finanzierung der CDU/CSU Maßnahmen für die Agenda Arbeit. Ah Ja, Leistungsträger! Ich bin etwas verwirrt wer nun ein Leistungsträger in Deutschland ist - die Steuerflüchtlinge oder Millionäre oder doch die Sozialversicherungsträger die den Staat finanzieren und damit auch die Politiker die zum Teil weniger Staat wollen der Sie ernährt???

http://www.sueddeutsche.de/,tt1m3/deutschland/special/917/58859/index.html/deutschland/artikel/912/59853/article.htmltex
http://www.nzz.ch/2005/09/04/al/newzzED7NWZET-12.html

…vorauseilender Opportunismus

ist wenn Sie in den nächsten Tagen in den Medien lesen, dass Frau Merkel Bundeskanzler(in) ist und dass sie besser war als Herr Schröder. Für Viele aus dem schreibenden Gewerbe ist es für die Karriere wichtiger zu buckeln als Fragen zu stellen. Kopfschüttelnd ist man gezwungen (aus Profession) das auch noch zu lesen und den Unfug in epischer Breite zu ertragen. Egal ob renommierten Magazinen Rechenfehler (peinlich genug) unterlaufen oder 4Letter Zeitungen Panik und Angst verbreiten.

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