Sonntag, 1. Januar 2006
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
vorerst muss ich eines gestehen, ich habe mich geirrt! Erstmal war ich überzeugt dass Sie gegen die maskuline Dominanz in Ihrer Riege nicht bestehen werden und der Kanzlerin Anspruch von den Herren aus Bayern und Hessen Ihnen streitig gemacht wird. Wie Sie allerdings geschafft haben Herrn Stoiber zurück nach Bayern zu schicken – alle Achtung – ist ein Rätsel und es gebührt Ihnen meine Hochachtung. Dass Herr Koch das Bestreben nach „Höherem“ hat, ist hinlänglich bekannt und um sein Ziel zu erreichen spannt er alle emotionalen Themen, wie Türken, Afrikaner, Ausländer und Arbeitslose ein. Seit kurzem hat er auch Studenten und Eliteuniversitäten in seinem Programm, von den Einen wird kassiert und für die Anderen soll die Bundesregierung kräftig mitzahlen.

Bewundernswert finde ich die beinahe liebliche Einigkeit mit Ihrem Koalitionspartner Herrn Müntefering. Es wird regiert wie in einer funktionierenden Familie in der an oberster Stelle die Harmonie steht. Das ist ein wenig protestantisch aber auch gut so, das wahlgebeutelte Volk braucht ruhige Vorbilder um sich auf die Zukunft vorzubereiten, eine Zukunft über die sie sich noch klarer äußern müssen damit wir, das Volk uns einstellen können ob sozial verträglich gewirtschaftet wird oder kalt neoliberal die AG´s und Konzerne das Sagen haben. Ich wünsche uns - und das hoffentlich auch in Ihrem Sinne - eine Perspektive die nicht nur Angst und Zittern um den Job, das Einkommen, die Rente oder die Finanzierung der Krankenkassen vorherrscht, sondern auch ein wenig neue Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

Und damit bin ich bei Ihrer Neujahrsansprache. Sie haben versucht den Menschen Mut zu machen, Mut neue Wege zu gehen und endlich aus dem nationalen und lieb gewonnenen Gejammer raus zukommen. Recht haben Sie! Nur ist da und dort noch so ein Hacken um die Ideen aus dem Volke und für das Allgemeinwohl umzusetzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und dieses, ah so geprügelte Deutschland wieder an die Spitze zu bringen. Ich kenne Leute die haben sehr gute Ideen und sind bereit ein großes Risiko einzugehen. Dennoch benötigen sie Startkapital und fachliche Unterstützung die wiederum nur für Geld zu bekommen ist. Ja, ich weiß dass es Fördermittel aus den verschiedenen Institutionen und von der Bundesregierung fließen und dass es da Entscheider gibt die guten Willens sind, die Idee zu fördern. Wie Sie sehr richtig erkannt haben. Diese Vergaben sind schon unter Ihren Vorgängern üblich gewesen und dennoch hat es im Sinne von Arbeitsplätzen nicht den erhofften Erfolg gebracht. Viele gute Leute sind mit den zukunftsorientierten Ideen ins Ausland gegangen und hatten dort Erfolg damit. Der Grund ist teils recht einfach, ein wirtschaftliches Interesse der Kommunen und Länder einerseits und eine höhere Beweglichkeit der Banken und Geldgeber. Hierzulande geht es nicht allein um den neuen Mut der Menschen, vielmehr um weniger Egoismus der großen Banken, Konzerne und Unternehmen. Manchmal hat man als Bewohner dieses Landes das Gefühl eine Bank nur konsultieren zu dürfen wenn das gewünschte Kapital in Immobilien vorhanden oder die Oma auf dem Sparbuch hat. Freie Bankenwirtschaft heißt aber leider auch Diesen ausgeliefert zu sein, eine Zinspolitik zu akzeptieren die an Wucher grenzt und dafür tausende Arbeitsplätze unter dem Schleier der internationalen Konkurrenz einsparen. So haben wir leider beides nicht, Menschen mit Mut zum Risiko und Arbeitsplätze.

Sie haben von Forschung gesprochen, ein Thema bei dem ich gerne zuhöre und oft nicht verstehe worum es wirklich geht. In einem TV-Duell mit Ihrem Vorgänger haben Sie richtigerweise erkannt das Deutschland, betreffend die Patente und Erfindungen weltweit an zweiter Stelle steht. Ich würde eher sagen an fast erster Stelle, den anders als in der USA wird hier nicht jeder Punkt der zusätzlich zu einer Software gefunden wird als Patent angenommen. Landauf und Landab finden wir Menschen die sich für Entwicklung und Forschung in Medizin, Elektronik, Bildung und so weiter einsetzten. Diesen Menschen und Institutionen haben wir unsere internationalen Erfolge zu verdanken. Kaum eine Produktionsstrasse die ich in China, in Europa oder in Indien gesehen habe die nicht aus Deutschland kommt, Maschinen von höchster technischer Qualität, absoluter Präzision und Zuverlässigkeit. Ich gebe Ihnen durchaus Recht das einige Regeln und Geläufigkeiten in der Mittelvergabe verändert werden müssen und auch sollen. Heute werden Begriffe wie „Eliteuniversitäten“ oder „Forschungselite“ verwendet um die Mittel knapper und konzentrierter zu verteilen. Ihr Vorgänger hat 70 Millionen Euro für die Schaffung von Universitäten mit dem Beigeschmack Elite vergeben, gut aber wo bleiben die dringend benötigten Ausgaben für die Bildung der Kinder die in naher Zukunft das Land an die erste Stelle der Patente und Erfindungen führen soll?

Ob Ihr Appell an die Bürger, sich stärker in wohltätigen Gruppierungen und Vereinen zu betätigen und den Mitmenschen näher zu stehen, erfolgreich sein wird bezweifle ich sehr. Die Menschen denken hierzulande nicht im wahren Sinne von „Wir“. Wir das sind die, die mit uns in der gleichen Situation sind und nicht die anderen, die keine Deutschen sind, keinen Arbeitplatz haben oder nicht Christen sind. Zu unterscheiden hat die Volksseele auch durch die Politik gelernt, eine Politik die gekündigte Menschen, rechtlich zu Bürgern zweiter Klasse und zu Schuldnern macht, die wenig unternimmt Muslime aus dem allgemeinen Terrorverdacht zu lösen, die den Aktiengesellschaften und Konzernen vorauseilend die gesetzliche Möglichkeit des bedenkenlosen und unverantwortlichen Abzockens gibt. Wäre vorerst nicht wichtig klar zu stellen wer welche Verantwortung mit seinem Handeln für die Allgemeinheit und für die von Ihnen und uns so geliebte Zukunft hat?

Sie haben sich auch zur Aufgabe gestellt eine europäische Verfassung, oder besser eine verbesserte europäische Verfassung mit ihren Kollegen auf den Weg zu bringen. Das freut mich, und wenn diese Verfassung auch noch soziale und Komponenten der Menschenwürde beinhaltet ist der Erfolg einer Akzeptanz zu erreichen. In einigen Punkten, die gegen eine Gemeinsamkeit im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft sprechen sollten Sie als Vertreterin einer Volkspartei, alles daran setzten diese zu verändern. Ich bin mir sicher dass Sie in Ihrer bewiesenen Kompromissbereitschaft dazu fähig sind. Eine Bitte habe ich diesbezüglich an Sie: Lassen Sie bitte so genannte „christliche“ Werte auch aus der zukünftigen europäischen Verfassung weg. Ändern Sie es einfach auf humane und ethische Werte.

Eines ist mir noch besonders aufgefallen, Sie tragen eine Brille. Die steht Ihnen sehr gut und verändert Sie - soweit ich das sagen darf - sehr positiv. Eine Veränderung in Richtung Willen und Taten.

Persönlich wünsche Ich Ihnen für 2006 viel Erfolg in Ihrer politischen wie auch parteilichen Arbeit und das Sie jemanden haben der Ihnen auch die Hand hält, wenn es stürmisch wird am Parkett der großen Hoffnungen nach außen und dem Überlebenskampf im Inneren der machtbesessenen Kollegen.

Mit freundlichen Grüßen

nicodemus

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Vollakademiker
Es fehlt das Heidenreich'sche "Frau Dr. Bundeskanzlerin"

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