Sonntag, 15. Januar 2006
Afrika! Afrika!


Der kalte Wind treibt den Winter durch Jacke, Pullover, Schal und Hemd durch Mark und Bein. Vor dem imposanten Zelt stehend, auf und ab tretend damit die Füße wenigstens noch fühlbar bleiben, kann ich mir nur vorstellen das drinnen die nasse Kälte nicht mehr beißend sein wird. Was mich unter dem riesigen Buchstaben AFRIKA! AFRIKA! erwartet kann ich mir nicht vorstellen und irgendwie habe ich die Ausrufezeichen bis jetzt übersehen. Ich lese es noch mal und plötzlich werden diese Worte zu einer Aufforderung, zu einer Erwartung einer anderen Dimension.



Nach der Eingangsschleuse bläst von oben warme Luft und ich beginne mich von der Kälte und dem Krampf zu lösen. Das Empfangszelt ist innen größer als ich es von außen beurteilen konnte. Riesige Lüster hängen von der Kuppel und erst auf den zweiten Blick merke ich dass der Schmuck der Leuchter aus Müll - Kunststoffmüll - besteht. Gerne hätte ich Gedanken gedacht der mich nicht gezwungen hätte diesen „Schmuck“ mit dem Müll der Ersten Welt zu assoziieren. Müll, den wir in die Weite Afrikas verschiffen um bei uns eine saubere Umwelt zu erhalten und unser Gewissen zu beruhigen. Das sind keine guten Gedanken um ein grandioses, unbetrübtes Spektakel zu genießen. Nein, ich möchte auch kein Programm kaufen und vorher darin blättern und Worte lesen die mich beeinflussen, Worte die mir suggerieren was ich dabei zu denken habe. Ich lasse mich treiben, verwische die geopolitischen Gedanken, Armut, Kolonie und Aids. Afrika! ein Kontinent!







Ich kann nicht mehr sagen welche der dargebotenen Nummern die waghalsigste, die ergreifendste, die spektakulärste war. Alles fühlte sich leicht, spielerisch, sinnlich und erotisch an. Ich merke nur dass die Plätze viel zu eng sind und dass mich die Musik mitreißt, so sehr das ich dem armen Mann vor mir in den Rücken trete und er sich mürrisch umdreht. Ich merke ein entspanntes Lächeln auf meinen faltigen Wangen und lass meine Emotionen fliegen, dahin gleiten nach Afrika, über die Unendlichkeit und Schönheit die man nur sieht wenn man nicht zu hoch fliegt. Spüre das Feuer des Rhythmus, die Sehnsucht AFRIKA!







Die Vorstellung ist vorbei und die Leidenschaft weicht der kühlen Analyse und ich frage mich was hat das wirklich mit Afrika zu tun. Einem Afrika der Realität. Ist es nicht eine fünf Sterne Hotel - Folklore Veranstaltung für uns Weiße, die nur verstehen was sie kennen? Masken auf Kuppelwände projiziert oder am Mangenrand stehend sind nicht Afrika, nicht mal ein romantischer Kolonialabklatsch. Die verzaubernden Menschen waren Afrikaner mit einer Freude und eine Kraft die mich träumen lassen, mit Akrobatik und der Lust an Grenzen zu gehen. Ein zentralafrikanisches Sprichwort besagt das Träumen, durch den Horizont blicken heißt. Ja, für zweieinhalb Stunden sah ich durch den Horizont und durch die Zeltplane in ein freudiges, frohes und lebendiges AFRIKA!

... link (3 Kommentare)   ... comment