Donnerstag, 12. Januar 2006
Ein Mensch wie Du und ich – ein Plädoyer gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen
Hier nun ein Novum bei Moment________________________ - ein eigens für diesen Blog verfasster Beitrag einer Gastautorin (ihres Zeichens angehende Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie), die dem Verantwortlichen dieser Seiten (@nicodemus) namentlich bekannt, bestens vertraut und gewogen ist. Ein Folgebeitrag zu dem vorangegangenen Post Psychische Leiden der Europäer.

„Sie sehen doch ganz nett aus – und Sie sind Psychiaterin?“

So verschieden menschliche Begegnungen auch sein mögen – sie folgen oft einem festen Ritus. Nach der namentlichen Vorstellung und einer kurzen Erläuterung, warum man ausgerechnet heute hier (in diesem Zug, auf dieser Party, bei diesem langweiligen Stehempfang) ist, folgt meistens (und noch vor dem Gespräch über das Wetter) die Frage: „und, was machst du/machen sie denn beruflich?“. Seit meine Antwort nicht mehr „Studentin“ sondern „Ärztin“ lautet, beginnen viele mir bis dahin völlig unbekannte Menschen, ungefragt Körperteile zu entblößen – ich könne doch sicher mal eben sagen, was mit dem Ellenbogen oder dem Schienbein los sei. Viele fragen aber vorher noch, welche Fachrichtung denn die meine sei – wahrscheinlich um eine gezieltere Auswahl der zu präsentierenden Körperteile und ihrer Veränderungen vornehmen zu können. Seit meine Antwort „ich arbeite in der Psychiatrie“ lautet, bleibt die Kleidung meiner Gesprächspartner, wo sie hingehört – und ich blicke in erstaunt-erschreckte Gesichter. Die regelhaft entstehende kurze Gesprächspause nutze ich, um mit mir eine Wette abzuschließen – welche der (scheinbar einzigen) beiden möglichen Erwiderungen wird mein Gegenüber wählen? Schon an der Körperhaltung sehe ich, für welche er sich entschieden hat: ein Schritt zurück, verlegen-unsicheres Lächeln, ein schneller Blick in die Runde – und dann Variante 1: „huch, hoffentlich habe ich da nicht schon zu viel gesagt! Sie als Psychiaterin durchschauen einen ja sofort – und einen kleinen Schuss hat ja wohl jeder!?“. Variante 2 wird eingeleitet durch eine verständnisvoll-betroffene Mimik, einen kleinen Schritt auf mich zu, manchmal wird auch noch die Hand auf meinen Arm gelegt: „ Ach, da haben sie aber einen schweren Beruf. Das könnte ich ja nicht machen! Wie sie das schaffen, all diese armen Menschen -und so hoffnungslos… Haben sie da nicht Angst, dass etwas abfärbt von der Verrücktheit auf sie?“.

Sicherlich ist das an sich nichts Besonderes – auch Müllmänner, Pilotinnen oder Quantenphysiker werden wahrscheinlich mit immer den gleichen Stereotypen konfrontiert, wenn sie ihren Beruf nennen. Aber die beiden beschriebenen Varianten sagen ja nicht vor allem etwas über meinen Beruf aus – sondern über die Bilder, die von den Menschen existieren, die von einer Psychiaterin behandelt werden. Und mit diesen Bildern werden meine Patientinnen und Patienten konfrontiert – in ihrer Familie, in ihrem Dorf, an ihrem Arbeitsplatz, in ihrem Freundeskreis.
Diese Bilder von Menschen, die Erfahrung mit PsychiaterInnen und der Psychiatrie haben, sind Vorurteile, die aus einem Ehemann, einer Tochter, einem Freund, einer Kollegin, einem Nachbarn, einer Lehrerin etwas Neues, Anderes, Fremdes, Beängstigendes, Gefährliches machen – nämlich eine „psychisch Kranke“, einen „psychisch Kranken“. Bei dem man nicht mehr so genau weiß, wie mit ihm zu reden ist – über den man aber spricht (zumindest hinter vorgehaltener Hand). Bei der nicht mehr klar ist, wie man sie behandeln soll – wo sie doch in ‚psychiatrischer Behandlung’ ist. Der beobachtet wird – sieht er nicht plötzlich auch ‚ganz komisch’ aus? Und weil fast niemand weiß, was eigentlich los ist, haben es alle schon immer gewusst. Und weil Nicht-Wissen Angst macht, hält man lieber mal „ein bisschen Abstand“ – „man weiß ja nie“.

Und so folgt der Diagnose einer psychischen Erkrankung und ihrer psychiatrischen Behandlung oft die viel fatalere ‚Etikettierung’ eines Menschen als „psychisch krank“ – er wird exkommuniziert aus bisherigen Zusammenhängen, indem man sich von ihm zurückzieht und ihn stigmatisiert als einen, der jetzt und für alle Zeit „anders“ ist. Und es entsteht aus der diffusen Idee, ‚anders’ könnte ‚irgendwie gefährlich’ sein sehr schnell die Idee, diese ‚armen Menschen’ sollten ‚weggeschlossen’ werden – um sich selbst und anderen nicht zu schaden.
Es gibt in der Tat Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung phasenweise vor Schaden bewahrt werden müssen – weil ihr Kontakt zur ‚Realität’ brüchig geworden ist, und sie beispielsweise glauben, sie könnten fliegen, wenn sie vom Balkon im 7. Stock springen. Oder weil sie in ihrem Kopf eine Stimme hören, die sie dem ‚Satan’ zuschreiben und die sie auffordert, sich zu töten, um die Welt zu retten. Oder die aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz im Nachthemd bei Minusgraden durch die Gegend irren, um ihre seit 30 Jahren verstorbene Mutter zu suchen.
Und sicherlich gibt es Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung phasenweise davor bewahrt werden müssen, anderen Schaden zuzufügen – weil sie glauben, sie müssten im Auftrag der CIA ab heute den Linksverkehr auf der Straße einführen. Oder die sicher sind, der Nachbar leite Giftgas in die Wohnung und müsse dafür bestraft werden.

Diese Menschen kommen (neben vielen anderen) in psychiatrische Kliniken. Die in der Regel nicht mehr von hohen Mauern umgeben und deren Fenster nicht vergittert sind. Wo es weder Zwangsjacken noch Gummizellen gibt. Wo es nicht um das ‚wegsperren’, sondern die Behandlung der Erkrankung geht, die Schaden anrichtet. Glücklicherweise haben wir heute für die meisten psychischen Erkrankungen Medikamente, deren positive Wirkungen die unerwünschten Nebenwirkungen bei weitem übersteigen. Die Fernsehbilder von dumpf herumsitzenden, sabbernden Zombies haben mit der Realität psychiatrischer Behandlung heute so wenig zu tun wie George Bushs Angriffe auf den Irak mit einem ‚gerechten Krieg’. Psychische Erkrankungen sind in der Regel gut behandelbar – wenn auch in vielen Fällen ebenso wenig ‚heilbar’ wie eine Vielzahl von Erkrankungen (Ärzte können weder einen zu hohen Blutdruck noch eine Zuckerkrankheit ‚heilen’ – nur die Symptome können behandelt, im besten Fall zum Verschwinden gebracht werden). Viele psychische Erkrankungen verlaufen phasenhaft – und so wie ein Mensch mit Heuschnupfen die meiste Zeit seines Lebens symptomfrei und subjektiv ‚gesund’ ist, gilt das auch für die meisten Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Einem Menschen den Stempel der Stigmatisierung aufzudrücken, weil er eine psychische Erkrankung hat, in psychiatrischer Behandlung war oder ist, steht in der Tradition der Ausgrenzung und Abschiebung, deren Folgen tausende Patientinnen und Patienten (nicht nur) psychiatrischer Kliniken im Rahmen des „Euthanasie-Programmes“ mit dem Leben bezahlt haben. Unsere Patientinnen und Patienten stehen in unserer auf ‚Leistungsfähigkeit’ und ‚Produktivität’ orientierten Gesellschaft oft am Rand – weil sie eben nicht immer ‚funktionieren’, am Mainstream vorbei eigene Wege gehen und ihre Umgebung durch ihr manchmal Anders-Sein verschrecken, irritieren und zur Abgrenzung herausfordern.

Ich bin mir absolut sicher, dass nichts mich davor schützt, morgen oder übermorgen oder in einigen Jahren selbst psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Niemand ist davor gefeit, eine Depression, eine Psychose oder eine Demenz zu entwickeln – niemand. Keine genetische Disposition, keine Abstinenz von Alkohol oder Drogen, kein gesunder Lebenswandel bieten einen ‚sicheren Schutz’ davor.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der ich auf meine Aussage „ich bin Psychiaterin“ nicht mitleidig belächelt oder ehrfürchtig-erschrocken angeschaut werde – denn ich habe einen tollen Beruf, der mich erfüllt. Viel mehr aber wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung als das gesehen wird, was er ist: als Mensch wie ich, wie du, wie wir.

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Vielen Dank
für diesen bemerkenswerten Gastbeitrag. Ein bisschen wundert mich, dass Sie nicht auch von einer dritten Reaktion auf Ihre Berufsansage berichtet haben, Und zwar die, bei der Ihr Gegenüber die Standardphrase loslässt: "Ach, die meisten, die Psychologie studiert haben, versuchen damit doch nur ihren eigenen Hau zu kurieren, oder nicht?" Gestehe ich's offen, dass mich dieses Vorurteil auch ein paar Jährchen meines Lebens begleitet hat. Und es mussten erst in meinem unmittelbaren Umfeld psychische Krankheitsfälle auftreten, um Raum für eine differenzierte Betrachtungsweise dieses Themenkomplexes und der zugehörigen berufsbilder zu schaffen.

Im Übrigen bietet die Blogosphäre auch Berührungspunkte mit diesem Thema, es gibt hier ja einige Mitblogger in der Community, die über ihre Erfahrungen mit pychischen Störungen, ihre Therapien und das drumherum sehr anschaulich und eindringlich berichten. Und da entdeckt auch mancher Blogger seine therapeuthische und feinfühlige Ader. Eine bloggende Psychiaterin fehlt aber definitiv noch in Kleinbloggersdorf, wenn ich mir das so recht überlege. Ach ja, bei blogger.de kann man grad wieder neue Blogs einrichten...

Aber ich will Sie da jetzt nicht bestürmen. Ich habe mich gefreut, von Ihnen zu lesen - und es wäre doch nett, wenn Sie uns noch öfters beehren. Ihr Debüt-Beitrag liefert jedenfalls jede Menge Denkstoff!

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Was Sie im vorletzten Absatz schreiben: "Ich bin mir absolut sicher, dass nichts mich davor schützt, morgen oder übermorgen (...) selbst psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen." - das ist eine Wahrheit, die Menschen ohne eigene oder sonstwie nahe Erfahrung mit psychischen Erkrankungen nicht wissen, nicht verstehen und nicht nachvollziehen können. Leider.

Dieses Verständnis wäre bestimmt nicht ausreichend, aber immerhin ein erster wesentlicher Schritt dazu, Menschen mit einer psychischen Erkrankung als Menschen wie Du und ich zu behandeln.

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Bedauerlicherweise werden psychisch Kranke in allen Medien, selbst seriösen Zeitungen immer wieder tendenziell als "Ungeheuer" dargestellt; vermutlich, weil das quoten- oder reichweitenwirksamer ist als diese ganzen komplizierten, differenzierten Auseinandersetzungen.

Die verzogene Wahrnehmung von einzelnen bedrohlichen Fällen in der Folge einer übersteigerten medialen Aufmerksamkeit plus Angst vor dem Unbekannten plus Unverständnis für die Rolle psychiatrischer Gutachten (§§ 20, 21) haben dazu geführt, dass im Alltagsdenken auch gutmeinender Durchschnittsbürger eine regelrechte Aversion gegen die differenzierte Betrachtung zu verzeichnen ist. Standardspruch: "Man darf doch nicht für alles die Eltern verantwortlich machen."

Tja. Man kann es nur gebetsmühlenartig immer wiederholen: Psychisch Kranke sind Menschen wie Du und ich.

PS: Man sollte öfter mal den Leuten mit der psychischen Erkrankung die Orangen bringen, und die mit der Lungenentzündung am besten drei Monate lang nicht besuchen und nicht anrufen, damit sie Gelegenheit haben, sich "in Ruhe" mit "ihrer Situation" zu beschäftigen. Obwohl - das wäre auch unfair.

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Ein schöner, wertvoller Beitrag. Gesundheit halte ich übrigens für einen Kampfbegriff, über den soziale Ausgrenzung und die Konstruktion gesellschaftlcher Hierarchien läuft. vgl. hierzu Jäger, Siegfried, Paul, Jobst: Von Menschen und Schweinen, Duisburg 1992, Tolmein, Oliver: Wann ist der Mensch ein Mensch?, München 1993, Foucault, Michel: Überwachen und Strafen, Frankfurt 1977, Sexualität und Wahrheit, Frankfurt 1983, Bio-Macht, Duisburg 1992

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Vielen Dank für´s Lesen und die differenzierten Kommentare zu meinem Blog-Debut!

Herr mark - einen eigenen Blog zu eröffnen, habe ich zwar mal erwogen, die Idee aber verworfen, weil sonst ein heimatlicher Faustkampf um den Computer entbrennen würde...und ich ziehe andere Schlachtfelder des Beziehungsalltags vor... :o) Aber ein weiteres häufiges Mißverständnis kann ich ja auch noch gleich aufklären: es gibt PsychologInnen, die haben Psychologie studiert. Die arbeiten (auch) in der Psychiatrie - und zwar mit Worten (d.h. psychotherapeutisch). PsychiaterInnen haben Medizin studiert, sind also "richtige ÄrztInnen", die nach dem Studium eine umfangreiche 5-jährige Weiterbildung absolvieren. Die grobe Unterscheidung zu den PsychologInnen: wir verschreiben (auch) Medikamente und nur ÄrztInnen können gegenüber Gerichten Maßnahmen zur Behandlung auch gegen den Willen der PatientInnen begründen.

Herr tombo - gerade der von Ihnen angesprochene Bereich der psychiatrischen Begutachtung psychisch kranker StraftäterInnen wird in der Öffentlichkeit völlig verzerrt wahrgenommen - als bedeute ein psychiatrisches Gutachten eine Exkulpierung mit automatischer "Begnadigung". Dabei kann Folge eines psychiatrischen Gutachtens in einem Strafverfahren sein, dass eine lebenslange Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik erfolgt (und nicht "nur" einige Jahre Knast). Weil nämlich in den meisten Fällen keinerlei zeitliche Befristung vorgesehen ist, wenn der Beschuldigte aus psychiatrischer Sicht bei der Begehung seiner Tat nicht schuldfähig war und die erhebliche Gefahr besteht, dass er weitere Straftaten begeht. Dann hängt sein weiteres Schicksal von einer Vielzahl weiterer Gutachten ab, die bescheinigen müssen, dass eine so gravierende Verbesserung des psychischen Zustandes eingetreten ist, dass von dem Betreffenden keine Gefahr mehr ausgeht. Also ist es nicht unbedingt "erstrebenswert", wenn Beschuldigte bewußt einen auf "verrückt" machen...

Herr che - versteht man den Begriff "Gesundheit" so, wie die WHO (Weltgesundheitsorganisation), dann ist er tatsächlich als "Kampfbegriff" geeignet - nämlich für die Verbesserung der real-kapitalistischen Ausbeutungsbedingungen, die Menschen krank machen. Die WHO definiert Gesundheit als "Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens" - und in diesem Sinne wäre der Begriff geeignet, auf vielen Transparenten zu stehen!
Bei aller Zustimmung zu ihrem Mißtrauen gegenüber einer Ausgrenzung von Menschen durch das Etikett "krank" muß ich aus meiner beruflichen Erfahrung sagen - es gibt tatsächlich in vielen Bereichen ein Kontinuum zwischen "gesund" und "krank" - aber auch Grenzen, ab denen für mich Eindeutigkeit besteht. Oftmals lassen die sich ganz einfach bestimmen: wenn ein Mensch leidet unter seinem Zustand. Dann ist man mit Philosophie weniger gut beraten als mit tätiger Hilfe im Sinne einer "praktischen Ethik" (wobei ich hiermit nicht unbedingt Herrn Singer meine, obwohl ich seine Gedanken sehr spannend finde).

b.

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Jaaa, die Zeit (die freie Zeit …!)

Schön, dass das Thema hier profund anders, sozusagen professionell, ihren Kommentar bekommt. Wirklich!

Besonders bemerkenswert empfinde ich die Aussage:

"Ich bin mir absolut sicher, dass nichts mich davor schützt, morgen oder übermorgen oder in einigen Jahren selbst psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Niemand ist davor gefeit, eine Depression, eine Psychose oder eine Demenz zu entwickeln – niemand. Keine genetische Disposition, keine Abstinenz von Alkohol oder Drogen, kein gesunder Lebenswandel bieten einen ‚sicheren Schutz’ davor. Ich bin mir absolut sicher, dass nichts mich davor schützt, morgen oder übermorgen oder in einigen Jahren selbst psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Niemand ist davor gefeit, eine Depression, eine Psychose oder eine Demenz zu entwickeln – niemand. Keine genetische Disposition, keine Abstinenz von Alkohol oder Drogen, kein gesunder Lebenswandel bieten einen ‚sicheren Schutz’ davor."

Das, und genau das, ist, was wir in uns haben müssen, wenn wir Mitmenschen begegnen und uns in dem einen oder anderen Fall (warum auch immer) „überlegen“ vorkommen mögen. Der Unterschied zwischen „normal“ und „psychisch krank“ ist manchmal nur der Hauch eines Gedanken. Ein banales Ereignis, das dich „kippt“. Das Fatale (oder je nach dem auch Schöne): wenn du auf der anderen Seite bist, merkst du das nicht mehr, hältst dich möglicherweise für den einzig Normalen deiner Umgebung.

(Keiner flog übers Kuckucksnest!)

Ich für mich habe das Motto: Vorsicht mit dem Kopf! Hygiene heißt nicht Duschen, Zähneputzen - fertig! Hirn aufräumen, jeden Tag. Ob ich dabei „richtig“ vorgehe, weiß ich nicht. Ob das hilft, weiß ich auch nicht - vielleicht bringt es aber ein Stück weiter. Das wäre doch schon was.

tombo: Psychisch Kranke können auch ganz offenkundig „Ungeheuer“ sein (für mich Rotenburg, das liegt völlig neben unseren kulturellen Wertvorstellungen), dass sich die Presse des Themas annimmt, ist für mich wieder „normal“ - Aber: wie sagt der Psychater (Psychologe): „Was ist normal?“ Da z.B: setzt meine Kritik an der Psychologie ein. Wo sind die Werte, die menschlichen Werte, die zwischen den Heuschrecken und deren Renditen und den Harz IV-Empfängern und ihrem Existenzminimum eine Brücke schlagen? Wer „hütet“ diese Werte? - Klar: Jeder einzelne. Hmmm. - Das PS ist interessant.

mark793 kann ich nur insofern beipflichten, als es einen solchen, ich nenne ihn mal „Psycho-Block“ geben muß und irgendwann auch geben wird (das wird dann aber nicht als Online-Beratung auswachsen!)

nicodemus: schön, dass Sie das Thema SO weitergeführt haben.
Denken Sie mal: Wenn die WHO Gesundheit definiert als: "Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens", dann ist diese Definition allein schon „krank“ (Utopie) ODER legitimer Weise „philosophisch“!? =;o

Bitte um das Thema weiterbloggen - es bereichert alle.

Klasse Beiträge hier! Danke.

Thomas Berndt



PS: Wer profitiert von Statistiken? Der einzelne Bürger? - Das werden sie uns im Zweifel schon noch gut zu begründen wissen!

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Auch ich möchte für diesen ....
... Beitrag danken.

Es ist traurig, dass viele "Standardabweichungen" heute schnell ausgegrenzt werden.

Was mich an Ihrem Thema - der "psychischen" Erkrankungen - u.a. so bestürzt ist, dass viele Menschen scheinbar glauben - ein Mensch könne diese durch den "reinen" Willen "unterdrücken/heilen". Ein anderer Punkt ist das Vorurteil, es sei irgendwas "merkwürdiges". Tja - also eine Diabetes oder ein Beinbruch ist ok, aber was Psychisches? Also etwas - was das Hirn - betrifft. Manchmal frage ich die Leute, was denn ihrer Auffassung nach - ein Gehirn von einer Bauchspeicheldrüse unterscheidet. Auf die erstaunten Gesichter - erhalte ich meist die Antwort - das eine sei was Körperliches ... und ja viel weiter kommen viele nicht. Scheinbar weil ihnen dann doch auffällt - beides gehört zum Menschen (Lebewesen).

Es gibt manche Leute, die glauben solche Stigmatisierungen seinen "nur" durch Aufklärungen zu begegnen - ich glaube das ist zwar ein sehr wichtiger Punkt - aber ich sehe noch andere Punkte, die ich persönlich für sehr wichtig erachte:

- Das Lernen und Weitergeben, dass jeder von uns seine eigene Wahrnehmung der Dinge hat und das völlig unabhängig jedweger "Standardabweichungen".
- Eigene "Wahrheiten" für einen selbst genau "richtig" sein können - aber es für andere nicht sein "müssen".
- "Fehler" (Standardabweichungen) zum Leben gehören und sogar ein so wichtiger Aspekt sind, dass ohne sie - Entwicklungen irgendwann zum Stillstand kommen würden.
- Menschen ein Teil der Natur sind und noch über mehr "tierische" verfügt - als viele gern verdrängen. Doch jeder, der mal erlebt hat - das ein Gefühl/Instinkt schneller war als das - was wir Verstand nennen - soll mir dann nochmal erzählen - wir könnten alles immer willentlich steuern. Hier bin ich wieder bei dem Vorurteil "psychisch" Kranke - tun nur so - die könnten anders wenn sie nur wollten.

Was ich hier in Deutschland oft sehe ist etwas, dass ich inzwischen als "Konformitäts-Religion" bezeichne. Wer sich nicht anpasst - wird "plattgebügelt" und "aussortiert". Und die, die funktionieren - sehen sich mehr und mehr einem riesigen Druck ausgesetzt - einer in der Größe, die langfristig gar nicht gesund sein kann.

Das alles empfände ich vllt als gar nicht so "schlimm" - wenn nicht noch ein paar tolle "Ansichten" dazu kommen würden. Ansichten, wie: Leben, Arbeiten, Schule, Lernen darf keinen Spaß machen. Ähmmm ....

Ich könnte auch hier weiterschreiben und weiterschreiben. :o))

Ich weiß was ich mir wünsche: eine Gesellschaft, die den Wert von "Standardabweichungen" erkennt und die Menschen, die sich dort "wohlfühlen" nicht sofort mitleidig belächeln oder ihnen versucht "Normalität" "einzutrichtern". Ich glaube fest daran, alles hat seinen Sinn, jeder kann seinen Platz als Mensch in der Gesellschaft finden - wenn die Gesellschaft ihn nur läßt.

Lg, Saranya

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Ich glaube, es kommt auf die "Architektur" eines Gesellschaftsentwurfes an - gradlinig-langweilig oder mit vielen Winkeln und Erkern à la Gaudi...
Früher war es ja eher so, dass innerhalb dörflicher Gesellschaften der "Dorfirre" irgendwie dazugehörte (zumindest wenn er gewisse Grenzen nicht überschritt) oder zumindest von der Gemeinschaft mitgetragen wurde. Genauso gehörten Geburt, Krankheit und Tod in den Kontext aller und wurde nicht ausgegrenzt.
Heute wird uns suggeriert, Babys könnten nur unter klinisch-aseptischen Bedingungen geboren werden, Krankheit kann nur im Krankenhaus behandelt werden und gestorben wird bitte auch außerhalb der eigenen vier Wände und vor allem schnell und ruhig. Und um die "Dorfirren" werden halt Wände gebaut, hinter denen "Profis" sich darum kümmern sollen, dass sich wieder "Normalität" einstellt.
Während es vor einigen Jahren noch ein relativ breites Angebot z.B. von Arbeitsplätzen für psychisch Kranke gab, fällt dies den allgemeinen Sparbestrebungen zum Opfer. Damit bedeutet eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch eine psychische Erkrankung oftmals den Ausschluß aus dem Erwerbsleben - was für viele junge PatientInnen einer Exkommunikation aus dem Sozialleben gleichkommt (denn welche Aktivitäten lassen sich mit einer Rente von 300,- € schon finanzieren ???). Also nicht der "Anbau von Erkern" findet statt, in denen besondere Menschen ihren Platz finden können, sondern eine knallharte Auslese - wer nicht "leisten" kann, fliegt raus.

b.

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Ich glaube diese Gesellschaft ...
... also ihre "Architektur" würde heute selbst "Genies" wie Einstein oder da Vinci nicht "hochkommen" lassen - die würden zu schnell "plattgebügelt" ... jedenfalls stünden meiner Einschätzung nach die Chancen dafür sehr gering nicht "plattgebügelt" zu werden;))

Aber eben auch andere besondere (den Ausdruck finde ich schön!) Menschen werden aussortiert. Ich weiß zwar nicht wie authentisch der Film "A beautyful mind" wirklich ist - aber ich bekomme allein Gänsehaut, wenn ich an ihn denke - an diese enorme Leistung dieses Menschen!!! Allein die Vorstellung - da gibt es auch eine Realität nur in seinem Kopf, die nur er sieht - erfährt irgendwann, dass er Menschen, die er für real hielt wohl nie existiertiert haben außerhalb seines Kopfes und später beschließt er "einfach" - nachdem ihm die Nebenwirkungen der damaligen Medis zu hoch war - diese "Realität" in seinem Kopf zu ignorieren. Wie gesagt allein das Nachdenken darüber läßt meine Hochachtung immer mehr nach oben steigen.

Ich persönlich denke das Reizoffenheit - die ja in vielen Beschreibungen von "psychischen" Erkrankungen - zu finden ist - auch viel Potenzial zugrunde liegt - wenn denn der Mensch eine Chance und auch eine "Anleitung" (die heute sicher notwendig ist - weil "Sensibilität" ja wohl "out" ist) bekommt - damit umzugehen. Es ist denke ich eine besondere Art der Wahrnehmung - anderseits aber auch nichts anderes als eine andere Art der Wahrnehmung.

Ich frage mich manchmal inwieweit die Reizoffenheit - je nach Ausprägung vllt ein Grund (ich glaube es gibt für alles immer mehr als nur einen Grund) - für die Entwicklung einiger psychischen Krankheiten sein könnte. Ich bin nicht vom Fach - aber ein Interesse an Psychologie hatte ich schon immer - ich frage mich z.B., ob ein Mensch der einen Authismus entwickelt (Kanner, Asperger oder Atypisch sei jetzt mal dahin gestellt) - vielleicht einfach irgendwann "gezwungen" war - seine hohe Sensibilität "teilweise" abzuschalten? Oder auch bei Schizophrenie - könnte es sein, dass manche von diesen Menschen sich "andere Menschen machen", weil sie vllt auch wieder durch hohe Sensibiliät u.a. Kontaktschwierigkeiten haben? So nach dem sehr vereinfachten Motto: "Habe ich keine "Freunde" "backe" ich mir welche?"

Sie haben da mehr Einblick - bei mir handelt es sich nur um Überlegungen. Denn ich kam auch schon auf den Gedanken, dass diese "Reizoffenheit" ggf. auch ein Aspekt für Begabungen und die Entwicklung von Intelligenz sein könnte. So ganz vereinfacht - wer (mehr als im Vergleich zum Durchschnitt) wahrnimmt - hat zumindest theoretisch - mehr zum Verknüpfen.

Ich persönlich kenne recht viele Menschen mit einem "Hau" (das ist für mich eine liebevolle Bezeichnung, ich meine sie auch liebevoll, sie bezieht sich nicht nur auf "krankheiten" - sondern einfach auf das was oft als "etwas anderssein" bezeichnet werden kann) und sie kommen mir manchmal "normaler" vor als so manch von der Gesellschaft als "gesund" angesehene Mensch.

Manchmal frage ich mich ernsthaft wer denn jetzt eigentlich "krank" ist? Nicht weil ich die Gesellschaft jetzt schlecht reden will oder ähnliches - nur wenn ich meine "liebste" Definition nehme: Krankheit ist ein Zustand unter dem ein Mensch und/oder seine Angehörigen leiden. Schaue in die Welt - sehe das viele Leid - auch das im "Kleinen": Menschen, die aus Angst vor dem Jobverlust bis weit über ihre Grenzen gehen ist da nur ein Beispiel von vielen ... wenn das so weiter geht könnte irgendwann "Gesund" als "Krank" angesehen werden - weil es die meisten gar nicht mehr anders kennen.

Und so sehr ich an das Gute in jedem Menschen glaube - dennoch erschreckt mich dieser Gedanke.

Lg, Saranya

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treffend!

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