... newer stories
Samstag, 17. Juni 2006
Rückblick / pogledam nazaj
nicodemus, 14:07h
Abgesehen von geschwisterlichen und elterlichen Besuchen gibt es nur zwei Gründe an die Stätte der Kindheit für einige Tage zurück zu kehren. Entweder hat sich in der Erinnerung eine beschauliche Romantik über die vergangenen Zeiten des Werdens ausgebreitet oder statt verklärter Kindheitssicht, treten einem Dämon gleich die Jahre des Kind- und Jugendlichseins zutage. Vor Ort relativiert sich das Gefühl, es entspricht weder der Erinnerung in Abwesenheit noch der vergangenen Realität. Freude, Trauer graben sich aus dem Inneren hoch, imaginäre Türen zu damaligen Emotionen werden geöffnet und heraus fließt das Leben das geprägt hat. Und dennoch entspricht es nicht vollständig der wahren Empfindung von Damals. Zu viel inzwischen Gelebtes nimmt den amplitudenhaften Emotionsbegegnungen die Spitzen und die Tiefen. Das innere Messinstrument zu eichen, den Ausschlag nach oben und unten wieder spüren, die Gleichempfindlichkeit abzuschütteln, dazu dient ein Sehen und Fühlen am Ort der ersten Prägung.
Die Landschaft hat an schmerzhaft schöner Idylle durch die Abwesenheit gewonnen. Einige Tage, um die hier erlebten Jahre wieder mal zu spüren, einzutauchen in die erzählten Geschichten und erlebten Zeiten reichen nicht. Der Hof, das Haus, Wiesen, Felder, Wege , alles Vertraute, alte Bekannte die sich nun mit wenig Leben erfüllt, beschauen lassen. Alle Farben und Töne der Landschaft sind eingebrannt und in der Vorstellung wechselt das satte Grün der Gräser und Wälder problemlos ins herbstliche Bunt oder das schwere, weich zeichnende Licht des Sommers. Die Begleiter von früher sind gestorben mit dem Wissen der Verbundenheit zu dem Stück Erde das sie Mühe gekostet aber auch Freude gebracht hat oder sie sind weggezogen in ein leichteres, sicheres, komfortableres Leben. Kein Rufen nach den Kindern, kein Gerassel von Ketten aus dem Stall und auch das rumoren der hungrigen Tiere ist verstummt. Am alten Zuggeschirr der Pferde ist das Leder porös geworden, der mit Kalfonium gewachstem Garn der Nähte ist nicht mehr zu erkennen. Auf dem Speicher stehen noch die schweren Holzwagen für den Transport mit Pferden und die kleine dachlose Kutsche, das Lieblingsgefährt der Kinder wenn es den mal zu hohen Feiertagen oder Trauerfeierlichkeiten hinter das massige Pferd gespannt wurde, unproportional groß das mit Trauerbändern geschmückte Zugpferd zu der zierlichen Kutsche. Geregelte Aufgaben und Mitwirken am Hof begleitete die Kindheit, kein Tag ohne Wasser für die Tiere aus dem Brunnen zu schöpfen, bei sommerlicher Trockenheit aus dem entfernten See zu holen, im Frühling morgens die Kühe auf die Waldweiden zu bringen und spät abends beinahe schlafend das Essen zu verschlingen. Das sind die alltäglichen Dinge gewesen die sich nicht verscheuchen lassen. Ich habe das Gefühl den blechernen Eimer mit dem Seil suchen zu müssen um die Tränke zu füllen, den eisernen Korb holen und hinter der Scheune gespaltenes Holz zum Kochen und Brot backen in die Küche bringen, die dreispießige Gabel in der Hand um die Stallungen zu säubern. Die anerzogene Rastlosigkeit von Damals treibt den Wunsch auf die Berge zu steigen und von oben den nächsten Gipfel erspähen um auch diesen vom sinnleeren Aufholen getrieben, zu erklimmen.
Die kindliche Welt, bis zum ersten Schultag behütet, abgeschirmt vom Wissen des Andersseins und der bitteren Erfahrung von Nichtdazugehören endete mit einem Schlag. Erst neugierig und erpicht darauf die Sprache der Lehrer zu lernen, sich verständlich machen um zu erzählen und mathematische Aufgaben auch in Deutsch zu lösen, nach kurzer Zeit die Erkenntnis das es nicht reicht die Sprachebarriere zu überschreiten. Nein, in den Augen der Anderen der sich als bessere Menschen, da deutsch sprechend, selbst Verherrlichenden blieb man der „Windische“ (Schimpfwort für Slowenen). Windiges Lavieren war schnell erlernt, zwischen den Zeilen windender Sätze über Toleranz war die Hoffnung auf Anerkennen, nicht vollwertig - immerhin ein wenig mehr, zu hören, wenn nur die mütterliche Sprache und die Kultur abgelegt, verleugnet wurden. Erstaunlich wie schnell und wie viele sich dem Angebot beugten und verleugneten das ihr Name auch ihre Herkunft verrät. Der Wunsch zu flüchten aus diesem Desaster von verlogenen Versprechen und Zweitrangigkeit war sehr früh geboren. Flucht an einen Ort der ahnungslos ist und nicht unterscheidet zwischen Sprachen und Mentalitäten. Der erste Aufbruch zur Flucht waren Bücher, später das rastlose Suchen von Städten weltweit. Nein, nichts mehr ist von dem Schaubar nur der lächerliche Wunsch es noch mal zu erleben. Diese dumme Ungeduld, manch Unverarbeitetes noch mal zu durchtauchen ohne das es einen Schmerz hinterlässt.
Das südliche Kärnten und die Landeshauptstadt Klagenfurt. Ein Landstrich, eine Stadt der Denk- und Mahnmähler für eine Freiheit die, die Deutschkärntner nach dem Kriegsende 1918 und dem Zerfall des maroden Kaiserreiches mit den seit Jahrhunderten hier beheimateten Slowenen gegen die Machtansprüche des damaligen Jugoslawien erkämpften, auch unter der Mithilfe und des diplomatischen Eingreifens des Obersten Rats der Alliierten in Paris. 1920 bekannte sich die Mehrheit der Slowenen in einer Volksabstimmung zu Österreich, zu ihrer angestammten Heimat, zum sprachlichen Spagat zwischen deutschen Kaisern, Fürsten, deutschnationalen Landeshauptmännern und der eigenen Kultur. Zugegeben, mit Lockungen und Versprechen die tunlichst nach der Auszählung der Stimmen wieder revidiert wurden und so eine Kulturgruppe sekundärer, wenn nicht minderer Kärntner entstand. Die Geschichte ist auch hier eine Folge von Wiederholungen. Nach 1945 versuchte Jugoslawien wieder die Wirrnisse des Kriegsendes zu nutzen um das südliche Kärnten als ersten Schritt aus dem panserbischen Wunsch eine Realität zu schaffen. Die, in den letzten Kriegstagen aus Italien einrückenden Alliierten drängten die Jugoslawen wieder hinter die Grenze. Betroffen von den Morden und Vertreiben während des zweiten Weltkrieges waren die Menschen die an der Grenze lebten. In erster Linie Slowenen. Männer, Brüder und Söhne der Familien, vorwiegend waren es Bauern, wurden von den Nazis eingezogen, an den Fronten verheizt und zuhause im Niemandsland zwischen Faschismus und antifaschistischen Partisanen wurden die slowenischen Familien deportiert oder ermordet – von beiden Seiten. Wehrte sich jemand aus politischem Desinteresse oder Überzeugung gegen die Befehle der kommunismusnahen Partisanen wurden kurzerhand alle Verwandten vom Greis bis zum Säugling massakriert. Nicht anders erging es den Menschen die dem Druck nicht standhielten und die Freischärler aus dem Süden mit Nahrungsmittel und Unterschlupf versorgten. Hier griffen die Nazis ein und entledigten sich der Verirrten auf gleich brutale Weise. „In der Nacht kam der Tod über die Karawanken und am Tag wüteten mordend die Nazis an den Überlebenden…“ erzählte mir eine ältere Dame aus der Gegend, vor einigen Jahren. Die Nazis, das waren keine Soldaten aus dem Kernland des Dritten Reiches, diese Nazis kamen aus dem nächsten Dorf, aus der nächsten Stadt, es waren „deutsche Kärntner“.
Es ist auch eine Stadt in der die Geschichte nach Gutdünken gebogen und interpretiert wird. Die historischen Scheuklappen mussten schon sehr eng gestellt worden sein um ein Denkmahl für die von den Partisanen Ermordeten vor dem Klagenfurter Dom zu errichten. Ein Erinnern an die Ermordeten Klagenfurter Juden, Romas und Sinti, Andersdenkenden und die aus der Heimat vertriebenen Slowenen ist nicht zu finden. Zu viele ehrenhafte Bürger die mitmachten und die Vergangenheit einer Demenz gleich verschollen aus dem Gedächtnis. Wenige, sehr wenige sind mutig genug eine brauchbare Form von geschichtlicher Bewältigung zu betreiben.
2006: Anders als noch in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts sprechen und verstehen die Slowenen alle Deutsch und die Sprache aus der sie geboren sind klingt beinahe fremd. Kinder dürfen wieder slowenische Kindergärten besuchen und in den Schulen besinnt man sich der gemeinsamen Geschichte. Kulturelle Eigenheiten haben sich vermischt und selten denkt man noch an die gesprengten Denkmähler und abgerissenen Ortstafeln von früher. Oberflächlich scheint alles weit entfernt und vergessen. Es gibt kein Jugoslawien mehr. Die panserbische Idee glimmt im Untergrund und wurde nicht mit Milosevic begraben. Ein geborener Kärntner, Peter Handke trauert um diesen unberechenbaren Psychotiker, verehrt und beehrt ihn am Grab. Der Tod des Cholerikers, ist er ein Hoffnungsschimmer des Friedens für die Menschen am Balkan? Der ehemals zweite Erzfeind Slowenien ist politisch und wirtschaftlich in einem aufstrebenden Kurs, hat Kärnten wirtschaftlich überholt, nebenbei auch noch EU-Mitglied. Der Kärntner Abwehrkämpferbund besteht weiterhin und windet sich in Berechtigungserklärungen.
Zum dreißigsten Mal wird die literarische Sau durch die Stadt getrieben um Feuilletons der FAZ, NZZ und Süddeutschen zu füllen Eine versöhnende Geste für Ingeborg Bachmann. Bei der Menge an Denkstätten habe ich das „Robert Musil Haus“ nicht gefunden. Das Stück „Die Brandstifter“ wird nicht auf der Bühne des Staatstheaters gespielt. Einige Straßenzüge südlich ist die beamtete Stube des Possenreißers und Brandstifters dem ein ganzes Bundesland als Bühne zu Füssen liegt. Gesetzte und Vereinbarungen werden umgangen und die ortsankündenden Tafeln um einige Zentimeter versetzt damit diese nicht in zwei Sprachen das zu Erwartende künden. Was wären auch die zweisprachigen Ortstafeln heute? Nicht mehr als Grabmähler für eine längst verlorene Sprache und dialektische Eigenheiten. Nein, die Lettern dürfen sich nur in Deutsch vom reflektierenden Weiß abheben. Eine ernsthaft gemeinte Provinzposse die ohne Bedeutung wäre, wen der Hans Wurst nicht manchmal seine manische Phase dahingehend ausleben würde in dem er allen Ausländern und Fremden welcher Hautfarbe, Nationalität oder Religionszugehörigkeit auch immer zeigt wer der Herr ist, wer willkommen ist und wer draußen bleiben soll. Seine Nazi und SS verehrenden Weißheiten sind nicht mehr öffentlich zu vernehmen und was im Freundeskreis gesagt wird dringt auch nicht nach außen. Die richtigen Freunde finden sich hier schnell, es gibt eine Menge davon. So mancher Herrgottswinkel schmückt sich nicht allein mit dem Gekreuzigten, darunter im schlichten Rahmen das leicht verblichene schwarzweiß Bild des Großvaters in Wehrmachts- oder SS Uniform. Eine Ikone hat auch eine Rückseite und so mancher verbirgt hier seine wahre und unveränderte Gesinnung.
Die Landschaft hat an schmerzhaft schöner Idylle durch die Abwesenheit gewonnen. Einige Tage, um die hier erlebten Jahre wieder mal zu spüren, einzutauchen in die erzählten Geschichten und erlebten Zeiten reichen nicht. Der Hof, das Haus, Wiesen, Felder, Wege , alles Vertraute, alte Bekannte die sich nun mit wenig Leben erfüllt, beschauen lassen. Alle Farben und Töne der Landschaft sind eingebrannt und in der Vorstellung wechselt das satte Grün der Gräser und Wälder problemlos ins herbstliche Bunt oder das schwere, weich zeichnende Licht des Sommers. Die Begleiter von früher sind gestorben mit dem Wissen der Verbundenheit zu dem Stück Erde das sie Mühe gekostet aber auch Freude gebracht hat oder sie sind weggezogen in ein leichteres, sicheres, komfortableres Leben. Kein Rufen nach den Kindern, kein Gerassel von Ketten aus dem Stall und auch das rumoren der hungrigen Tiere ist verstummt. Am alten Zuggeschirr der Pferde ist das Leder porös geworden, der mit Kalfonium gewachstem Garn der Nähte ist nicht mehr zu erkennen. Auf dem Speicher stehen noch die schweren Holzwagen für den Transport mit Pferden und die kleine dachlose Kutsche, das Lieblingsgefährt der Kinder wenn es den mal zu hohen Feiertagen oder Trauerfeierlichkeiten hinter das massige Pferd gespannt wurde, unproportional groß das mit Trauerbändern geschmückte Zugpferd zu der zierlichen Kutsche. Geregelte Aufgaben und Mitwirken am Hof begleitete die Kindheit, kein Tag ohne Wasser für die Tiere aus dem Brunnen zu schöpfen, bei sommerlicher Trockenheit aus dem entfernten See zu holen, im Frühling morgens die Kühe auf die Waldweiden zu bringen und spät abends beinahe schlafend das Essen zu verschlingen. Das sind die alltäglichen Dinge gewesen die sich nicht verscheuchen lassen. Ich habe das Gefühl den blechernen Eimer mit dem Seil suchen zu müssen um die Tränke zu füllen, den eisernen Korb holen und hinter der Scheune gespaltenes Holz zum Kochen und Brot backen in die Küche bringen, die dreispießige Gabel in der Hand um die Stallungen zu säubern. Die anerzogene Rastlosigkeit von Damals treibt den Wunsch auf die Berge zu steigen und von oben den nächsten Gipfel erspähen um auch diesen vom sinnleeren Aufholen getrieben, zu erklimmen.
Die kindliche Welt, bis zum ersten Schultag behütet, abgeschirmt vom Wissen des Andersseins und der bitteren Erfahrung von Nichtdazugehören endete mit einem Schlag. Erst neugierig und erpicht darauf die Sprache der Lehrer zu lernen, sich verständlich machen um zu erzählen und mathematische Aufgaben auch in Deutsch zu lösen, nach kurzer Zeit die Erkenntnis das es nicht reicht die Sprachebarriere zu überschreiten. Nein, in den Augen der Anderen der sich als bessere Menschen, da deutsch sprechend, selbst Verherrlichenden blieb man der „Windische“ (Schimpfwort für Slowenen). Windiges Lavieren war schnell erlernt, zwischen den Zeilen windender Sätze über Toleranz war die Hoffnung auf Anerkennen, nicht vollwertig - immerhin ein wenig mehr, zu hören, wenn nur die mütterliche Sprache und die Kultur abgelegt, verleugnet wurden. Erstaunlich wie schnell und wie viele sich dem Angebot beugten und verleugneten das ihr Name auch ihre Herkunft verrät. Der Wunsch zu flüchten aus diesem Desaster von verlogenen Versprechen und Zweitrangigkeit war sehr früh geboren. Flucht an einen Ort der ahnungslos ist und nicht unterscheidet zwischen Sprachen und Mentalitäten. Der erste Aufbruch zur Flucht waren Bücher, später das rastlose Suchen von Städten weltweit. Nein, nichts mehr ist von dem Schaubar nur der lächerliche Wunsch es noch mal zu erleben. Diese dumme Ungeduld, manch Unverarbeitetes noch mal zu durchtauchen ohne das es einen Schmerz hinterlässt.
Das südliche Kärnten und die Landeshauptstadt Klagenfurt. Ein Landstrich, eine Stadt der Denk- und Mahnmähler für eine Freiheit die, die Deutschkärntner nach dem Kriegsende 1918 und dem Zerfall des maroden Kaiserreiches mit den seit Jahrhunderten hier beheimateten Slowenen gegen die Machtansprüche des damaligen Jugoslawien erkämpften, auch unter der Mithilfe und des diplomatischen Eingreifens des Obersten Rats der Alliierten in Paris. 1920 bekannte sich die Mehrheit der Slowenen in einer Volksabstimmung zu Österreich, zu ihrer angestammten Heimat, zum sprachlichen Spagat zwischen deutschen Kaisern, Fürsten, deutschnationalen Landeshauptmännern und der eigenen Kultur. Zugegeben, mit Lockungen und Versprechen die tunlichst nach der Auszählung der Stimmen wieder revidiert wurden und so eine Kulturgruppe sekundärer, wenn nicht minderer Kärntner entstand. Die Geschichte ist auch hier eine Folge von Wiederholungen. Nach 1945 versuchte Jugoslawien wieder die Wirrnisse des Kriegsendes zu nutzen um das südliche Kärnten als ersten Schritt aus dem panserbischen Wunsch eine Realität zu schaffen. Die, in den letzten Kriegstagen aus Italien einrückenden Alliierten drängten die Jugoslawen wieder hinter die Grenze. Betroffen von den Morden und Vertreiben während des zweiten Weltkrieges waren die Menschen die an der Grenze lebten. In erster Linie Slowenen. Männer, Brüder und Söhne der Familien, vorwiegend waren es Bauern, wurden von den Nazis eingezogen, an den Fronten verheizt und zuhause im Niemandsland zwischen Faschismus und antifaschistischen Partisanen wurden die slowenischen Familien deportiert oder ermordet – von beiden Seiten. Wehrte sich jemand aus politischem Desinteresse oder Überzeugung gegen die Befehle der kommunismusnahen Partisanen wurden kurzerhand alle Verwandten vom Greis bis zum Säugling massakriert. Nicht anders erging es den Menschen die dem Druck nicht standhielten und die Freischärler aus dem Süden mit Nahrungsmittel und Unterschlupf versorgten. Hier griffen die Nazis ein und entledigten sich der Verirrten auf gleich brutale Weise. „In der Nacht kam der Tod über die Karawanken und am Tag wüteten mordend die Nazis an den Überlebenden…“ erzählte mir eine ältere Dame aus der Gegend, vor einigen Jahren. Die Nazis, das waren keine Soldaten aus dem Kernland des Dritten Reiches, diese Nazis kamen aus dem nächsten Dorf, aus der nächsten Stadt, es waren „deutsche Kärntner“.
Es ist auch eine Stadt in der die Geschichte nach Gutdünken gebogen und interpretiert wird. Die historischen Scheuklappen mussten schon sehr eng gestellt worden sein um ein Denkmahl für die von den Partisanen Ermordeten vor dem Klagenfurter Dom zu errichten. Ein Erinnern an die Ermordeten Klagenfurter Juden, Romas und Sinti, Andersdenkenden und die aus der Heimat vertriebenen Slowenen ist nicht zu finden. Zu viele ehrenhafte Bürger die mitmachten und die Vergangenheit einer Demenz gleich verschollen aus dem Gedächtnis. Wenige, sehr wenige sind mutig genug eine brauchbare Form von geschichtlicher Bewältigung zu betreiben.
2006: Anders als noch in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts sprechen und verstehen die Slowenen alle Deutsch und die Sprache aus der sie geboren sind klingt beinahe fremd. Kinder dürfen wieder slowenische Kindergärten besuchen und in den Schulen besinnt man sich der gemeinsamen Geschichte. Kulturelle Eigenheiten haben sich vermischt und selten denkt man noch an die gesprengten Denkmähler und abgerissenen Ortstafeln von früher. Oberflächlich scheint alles weit entfernt und vergessen. Es gibt kein Jugoslawien mehr. Die panserbische Idee glimmt im Untergrund und wurde nicht mit Milosevic begraben. Ein geborener Kärntner, Peter Handke trauert um diesen unberechenbaren Psychotiker, verehrt und beehrt ihn am Grab. Der Tod des Cholerikers, ist er ein Hoffnungsschimmer des Friedens für die Menschen am Balkan? Der ehemals zweite Erzfeind Slowenien ist politisch und wirtschaftlich in einem aufstrebenden Kurs, hat Kärnten wirtschaftlich überholt, nebenbei auch noch EU-Mitglied. Der Kärntner Abwehrkämpferbund besteht weiterhin und windet sich in Berechtigungserklärungen.
Zum dreißigsten Mal wird die literarische Sau durch die Stadt getrieben um Feuilletons der FAZ, NZZ und Süddeutschen zu füllen Eine versöhnende Geste für Ingeborg Bachmann. Bei der Menge an Denkstätten habe ich das „Robert Musil Haus“ nicht gefunden. Das Stück „Die Brandstifter“ wird nicht auf der Bühne des Staatstheaters gespielt. Einige Straßenzüge südlich ist die beamtete Stube des Possenreißers und Brandstifters dem ein ganzes Bundesland als Bühne zu Füssen liegt. Gesetzte und Vereinbarungen werden umgangen und die ortsankündenden Tafeln um einige Zentimeter versetzt damit diese nicht in zwei Sprachen das zu Erwartende künden. Was wären auch die zweisprachigen Ortstafeln heute? Nicht mehr als Grabmähler für eine längst verlorene Sprache und dialektische Eigenheiten. Nein, die Lettern dürfen sich nur in Deutsch vom reflektierenden Weiß abheben. Eine ernsthaft gemeinte Provinzposse die ohne Bedeutung wäre, wen der Hans Wurst nicht manchmal seine manische Phase dahingehend ausleben würde in dem er allen Ausländern und Fremden welcher Hautfarbe, Nationalität oder Religionszugehörigkeit auch immer zeigt wer der Herr ist, wer willkommen ist und wer draußen bleiben soll. Seine Nazi und SS verehrenden Weißheiten sind nicht mehr öffentlich zu vernehmen und was im Freundeskreis gesagt wird dringt auch nicht nach außen. Die richtigen Freunde finden sich hier schnell, es gibt eine Menge davon. So mancher Herrgottswinkel schmückt sich nicht allein mit dem Gekreuzigten, darunter im schlichten Rahmen das leicht verblichene schwarzweiß Bild des Großvaters in Wehrmachts- oder SS Uniform. Eine Ikone hat auch eine Rückseite und so mancher verbirgt hier seine wahre und unveränderte Gesinnung.
... link (12 Kommentare) ... comment
... older stories